"Nie im Leben" hätte der renommierte Kameramann ("Megacities", "Hundstage") und Dokumentarfilmer ("Bienen - Ein Leben für die Königin") damit gerechnet, dass er einmal bei einer Oscar-Gala sitzen würde - geschweige denn im selben Jahr wie sein Sohn, der beim sechswöchigen Dreh für den jordanischen "Beduinen-Western" "Theeb" von Naji Abu Nowar als Kameraassistent dabei war. "Für mich ist das ein sehr freudiges Ereignis, weil ich mich darin bestätigt fühle, dass ich mit Sebastian die richtige Arbeit gemacht habe", sagt der 57-Jährige, "und dass die Entscheidung, ihn nicht davon abzuhalten, auch Kameramann zu werden, richtig war."

Als der Sohn noch in die Schule ging, hat der gebürtige Kärntner ihn bereits zu Dreharbeiten rund um die Welt mitgenommen, "damit er ein bisschen rauskommt, andere Länder kennenlernt. Aber nicht mit dem Hintergedanken, dass er im späteren Leben Film macht", so Thaler, der wie seine Frau, eine Filmproduktionsleiterin, gehofft hatte, dass der Sohn einen anderen Beruf ergreift: "Weil es als Freiberufler schwer ist, im Leben zurechtzukommen."

Für Sebastian Thaler, der mittlerweile kurz vor dem Abschluss seines Masterstudiums an der Filmakademie Wien steht, kam die Entscheidung, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, nie bewusst. "Es gab einfach nie ein anderes Thema zuhause als Film", erinnert sich der 29-Jährige. Früh hat er begonnen zu fotografieren, ehe er bei der Universum-Doku "Ameisen - Die heimliche Weltmacht" (2005) seines Vaters anfangs als Video Operator gearbeitet und ihm bei "Anfang 80" (2011) erstmals assistiert hat. Bei Juri Rechinskys "Ugly" (2015) sprang er dann gar als hauptverantwortlicher Kameramann für seinen Vater ein, der vier Tage vor Drehstart eine Knieoperation hatte.

Konflikte bringe das Verwandtschaftsverhältnis am Set keine, betonen beide. "In der Früh wird die Vater-Sohn-Beziehung aufgegeben und bis Drehschluss professionell gearbeitet", versichert Wolfgang Thaler. "Für mich ist es ein wunderbares Arbeiten, denn ich kenne ihn gut und er mich. Ich verlasse mich auf sein Urteil und höre auf ihn, wenn er mich auf mögliche Fehler oder Bilder aufmerksam macht." Man profitiere gleichermaßen voneinander, tausche sich aus und inspiriere sich auch gegenseitig. "Sebastian ist ein junger Mensch, er sieht die Welt einfach anders und sieht auch andere Bilder als ich."

Schwieriger als das gemeinsame Arbeiten ist für Wolfgang Thaler das Aufeinandertreffen an der Filmakademie Wien. Seit 2008 unterrichtet er hier Bildtechnik und Kamera, während sein Sohn unter Kameraprofessor Walter Kindler studiert. "Wenn ich Unterricht gehalten habe und Sebastian drinnen gesessen ist, war es für mich stressiger, denn er ist mein größter Kritiker. Zuhause hat er dann gesagt: 'Heute warst du aber schwach'." Sebastian Thaler wiederum stand wegen seines angesehenen Vaters von Anfang an besonders unter Beobachtung, von ihm wurde oft mehr gefordert als von seinen Mitstudenten. "Aber das liegt in der Natur der Sache", sagt sein Vater.

Mittlerweile sei sein Sohn ihm in manchen technischen Belangen etwas voraus. Beim Vater-Tochter-Drama "Alles wird gut" von Patrick Vollrath habe Sebastian die bevorzugte Methode des Vaters, mit freifliegender Kamera und ohne fixe Vorgaben oder Texte für die Schauspieler zu arbeiten, weiterentwickelt und in langen Sequenzen das Geschehen überzeugend aus der Perspektive des Kindes eingefangen. "Als Erwachsener steht man automatisch mit einer Handkamera auf Augenhöhe, einem Kind aber sollte man auf gleicher Höhe begegnen, nicht auf es herabschauen", so Sebastian Thaler über die Arbeit mit der Volksschülerin Julia Pointner. "Das ist etwas, was ich in meinem Alter nicht mehr lernen kann", ist sein Vater überzeugt.

Mit Vollrath hat Sebastian Thaler im Rahmen der Filmakademie bis dato sieben Kurzfilme realisiert, "Alles wird gut" ist ihr Diplomfilm. "Für mich ist es das Schönste, wenn man blind weiß, was der andere will", sagt Thaler über die Zusammenarbeit. "Man kann sich auf Sachen, die am Set auftauchen, konzentrieren, weil es keine Kommunikationsprobleme gibt." Eine ähnliche Nähe hatte Wolfgang Thaler zum 2014 verstorbenen Michael Glawogger, mit dem er viele monumentale Kinodokumentarfilme realisierte, darunter "Workingman's Death" und "Whores' Glory". "Bei ihm habe ich die größte Freiheit genossen. Er hat mir vermittelt, was er erzählen möchte und worauf es ihm ankommt, und dann hatte ich die Freiheit, diese Visionen umzusetzen", so Thaler. "Ich vermisse ihn sehr, und was das anbelangt, gibt es keinen Ersatz."

Zuletzt haben die Thalers bei "Hotel Rock'n'Roll", dem von Glawogger angedachten und von Michael Ostrowski umgesetzten Abschluss der Trilogie nach "Nacktschnecken" und "Contact High", gemeinsam die Kameraarbeit übernommen. "Das waren sehr außergewöhnliche Dreharbeiten", so Wolfgang Thaler - und die vorläufig letzten gemeinsamen, arbeiten Sebastian Thaler und Patrick Vollrath doch an den ersten gemeinsamen Langspielfilmen. "Ab jetzt geht Sebastian seinen eigenen Weg, das ist richtig und gut so." Die "surreale" Oscar-Nominierung für "Alles wird gut" bestärkt Sebastian Thaler darin: "Gerade weil ich so unter die Lupe genommen werde, ist das für mich eine Bestätigung, die einen Schwung an Motivation und Selbstvertrauen bringt. Jetzt kann ich auf etwas aufbauen."

In L.A. selbst sei ein etwaiger Gewinn zweitrangig, betonen beide zum Schluss. Allein mit den Nominierungen "haben wir den Plafond schon erreicht", sagt Wolfgang Thaler. Und sein Sohn freut sich vor allem darauf, bei einem Abend der Nominierten seine Vorbilder kennenzulernen. Mit dem US-Amerikaner Ed Lachman ("Carol"), zweiter Kameramann bei Ulrich Seidls "Import/Export" und "Paradies"-Trilogie, gibt es unter den fünf Anwärtern auf den Kamera-Oscar sogar einen gemeinsamen Freund und Kollegen. Ihm würden beide den Oscar "sehr, sehr vergönnen".

(Das Gespräch führte Angelika Prawda/APA)