Franz Oberhauser ist eine Art Stiefbruder von James Bond. Ihm verdankt der Geheimagent 007 alles Leid, allen Schmerz und alle Demütigungen, die er zuletzt erlebt hat. Gespielt wird dieser Herr Oberhauser in „Spectre“, dem „Bond“-Kinoabenteuer Nummer 24, vom zweifachen österreichischen Oscar-Preisträger Christoph Waltz.

Erinnern Sie sich noch an den ersten James-Bond-Film, den Sie gesehen haben?
CHRISTOPH WALTZ: Für diese Frage bin ich noch zu jung. Aber gesehen haben Sie sicher einige der legendären Agentenfilme.

Sind Sie ein 007-Fan?
WALTZ: Wenn man sich etwas gerne anschaut, muss man sich nicht gleich als Fan bejubeln.

Subtil furchterregend: Christoph Waltz in
Subtil furchterregend: Christoph Waltz in "Spectre" © KK

Wie kam es überhaupt zu Ihrem Engagement für „Spectre“?
WALTZ: Auf jeden Fall war es nicht so: Anruf und Angebot. Ich kenne die Produzentin Barbara Broccoli seit fünf, sechs Jahren. Wir haben einander immer wieder getroffen, man merkte gegenseitiges Interesse. Und irgendwann wird das zur Sprache gebracht. Und so funktioniert die Verführung.

Waren Sie trotzdem überrascht, als auf einmal das Angebot kam?
WALTZ: Grundsätzlich rechne ich mit allem. Somit sind Überraschungen spärlich gesät. Wenn wir beide einander morgen in Timbuktu begegnen würden, wäre ich auch nicht überrascht. Wirklich überrascht war ich hingegen davon, mit welcher Herzlichkeit, Aufmerksamkeit und Hingabe ein solcher Film geführt wird. Daran hat Barbara Broccoli einen wesentlichen Anteil. Sie ist Seele und Herz dieses Unternehmens. Und noch was ad Überraschungen. Klingt vielleicht ein bissl blöd, aber ich bin schon so lang bei der Sache, die ich jetzt betreibe, dass ich weiß, dass Hoffnungen, Wünsche und Aspirationen alleine nix bringen.

Was war der Hauptgrund, dass Sie sofort Ja gesagt haben?
WALTZ: Die Arbeit.

Wie nähert man sich der Rolle des Bösewichts an?
WALTZ: Jeder Mensch hat eine eigene Grammatik. Die Grammatik des spezifischen Individuums, die gilt es zu finden. Das ist das Spannendste an einer solchen Arbeit. Die Grammatik ist eine sehr gute Perspektive. Und es gibt ein Drehbuch. Ein Drehbuch ist eine seltsame Zwitterform. Nicht unbedingt literarisch, sondern eine eigene Kunstform mit einer eigenen Grammatik. Dem auf die Schliche zu kommen, ist das Interessanteste. Das bedeutet auch, manchmal die Handbremse anzuziehen und den Rückwärtsgang reinzuhauen. Denn beim Film kann es sein, dass man kilometerweise in die falsche Richtung gefahren ist.

Was ist für Sie das Besondere am Unternehmen „James Bond“?
WALTZ: 24 Filme in 52 Jahren. Mit fünf Reinkarnationen der Hauptfigur. Dieselbe Figur und im Lauf der Jahre trotzdem nicht dieselbe. Das ist phänomenal und ein Teil der Filmgeschichte. Das ist, ließ ich mir sagen, in der Wirtschaft auch so. Eine Firma, die versäumt, sich den Gegebenheiten der Zeit anzupassen, geht unter. Es gibt derzeit kein wirkliches Bedürfnis an Diesel-Autos.

Sind „Bond“-Filme nicht auch ein bisschen Kasperltheater?WALTZ: Man könnte es interessanter formulieren. Das ist moderne Mythologie. Aber Sie haben recht, ein bisschen Kasperltheater ist auch dabei. Als Kind habe ich einmal ein früh politisch korrektes Kasperltheater gesehen, in dem kein Krokodil vorkam. Da war ich empört. Noch dazu: Der Polizist, der mitspielte, war freundlich, und niemand hat jemanden geschlagen. Das war für mich kein Kasperltheater. Anders beim jetzigen „James Bond“.

Und Sie sind das Krokodil?
WALTZ: Ja, das wäre eigentlich diese Funktion. Und wenn das Krokodil die Menschen nicht gleich auffrisst, heißt das noch lange nicht, dass es keine Zähne hat.

Halten Sie es für möglich, Ihre Rolle in einem weiteren „Bond“-Abenteuer zu spielen?
WALTZ: Ausnahmsweise einmal ganz ehrlich: Das ist momentan kein Thema. Mit „Spectre“ sind wir noch eine Weile beschäftigt. Das war und ist eine sehr intensive Arbeit. Und danach werden wir alle einmal verschnaufen.

Kürzlich wurden diverse „Bond“-Mitwirkende von einer Filmzeitschrift befragt, wer für sie der beste „Bond“-Schurke überhaupt war. Sie sollen ungefähr so geantwortet haben: „Ich. Wer sonst?“
WALTZ: Nein. Ich habe geantwortet: „Na, ich.“ – „Wer sonst?“, das hätte ich nie gesagt.

Ein exzellenter Schauspieler waren Sie schon immer. Im deutschen Sprachraum fehlte aber die richtige Anerkennung. Dann kam ein Drehbuch von Quentin Tarantino. Der Rest ist bekannt. Mittlerweile sind Sie zweifacher Oscar-Preisträger. Was ist das? Zufall, Kismet, Schicksal?
WALTZ: Nein: Glück. Und den Prozentsatz von Glück kann ich Ihnen ziemlich genau sagen: hundert Prozent.