In der Zeit des Nationalsozialismus kamen beschlagnahmte Bücher aufgelöster Einrichtungen und aus Enteignungen oder Zwangsverkäufen von Privatpersonen in den Besitz von österreichischen Universitätsbibliotheken. "Sie kamen auf verschiedenen Wegen, als Antiquariatseinkäufe, über Tausch oder 'Geschenke' in den Bestand der Bibliotheken", erklärte Markus Helmut Lenhart, Provenienzforscher an der Universitätsbibliothek (UB) Graz, im Gespräch mit der APA.

Aus Vorarbeiten von Katharina Bergmann an der Uni Graz weiß man, dass zwischen 1938 bis 1945 rund 33.000 Druckwerke in den Besitz der UB Graz kamen. Bergmann hat nach umfangreichen Untersuchungen rund 4.000 Druckwerke als verdächtig eingestuft. Lenhart und seine Kollegin Birgit Scholz versuchten seit dem Jahr 2011 herauszufinden, wie viele dieser Bücher vor und während des Zweiten Weltkriegs tatsächlich geraubt und auf verbotenem Weg in den Bestand der Bibliothek gekommen sind. Und sie haben sich auch auf die systematische Suche potenzieller Erben gemacht.

"Bisher konnten wir 120 Bände an insgesamt elf Vorbesitzer zurückgeben", bilanzierte Lenhart. 21 gingen an die beiden Enkelinnen von Otto Loewi, der während seiner Grazer Zeit im Jahr 1936 den Nobelpreis für Medizin erhalten hat - und 1938 das Land verlassen musste. "Wir haben seine beiden Enkelinnen in den Vereinigten Staaten von Amerika ausfindig machen können, für die die Werke einen hohen emotionellen Wert darstellen", erzählte Lenhart. Der Grazer Provenienzforscher nimmt an, dass sie aus Loewis Büro an der Uni Graz stammen, zu dem er 1938 keinen Zugang mehr hatte, als er zuerst inhaftiert und dann zur Emigration gezwungen wurde.

Die jüngste Restitution erfolgte im Sommer 2015: Ein volkskundliches Buch, das sich mit Böhmen beschäftigt. Es wurde in Vilnius geraubt. Die UB Graz konnte es nach umfangreichen Recherchen an die Nachfolgeinstitution in New York restituieren.

Bei weiteren 63 Werken habe man Erben bzw. Nachfolgeinstitutionen gefunden, die Druckwerke wurden jedoch der UB als Geschenk überlassen, schilderte Lenhart. Da in zahlreichen weiteren Fällen noch keine Nachfahren ausfindig gemacht werden konnten und weil man nun auch die Fachbibliotheken an den Instituten unter die Lupe nimmt, wurde das Forschungsprojekt der Universität Graz bis zum Jahr 2017 ausgedehnt.

Am kommenden Mittwoch, 4. November, laden die beiden UB-Provenienzforscher zur einer Präsentation der bisherigen Forschungsergebnisse.