Zwei Lebensgeschichten sind es, die von der britischen Regisseurin Lily Sykes zu einem Gespensterreigen in einem Hotelzimmer im Niemandsland verwoben werden. Jene ihrer Mutter, die als BBC-Reporterin in Bosnien weilte, als sich Jugoslawien in Schutt und Asche verwandelte. Und jene des Kriegsberichterstatters Anthony Loyd, einstmals in Sarajevo zwischen allen Fronten. Er gab seinem Buch den lakonischen Titel "My War Gone By, I Miss It so".

Das Bühnenwerk von Lily Sykes, "Cactus Land", verweist wohl keineswegs von ungefähr nicht nur auf ein Gedicht von T.S. Eliot, sondern auch auf die in einschlägigen Filmen herbeizitierte Bleibe der Zombies, die hier als Gespenster und Dämonen der Erinnerung ihr Wesen oder Unwesen treiben. Dem Publikum im Grazer Schauspielhaus wird eine teils wahnhafte, teils surreale, teils durch den Auftritt schwarzer Witwen heimtückisch revuehafte Reise zum Herzen kriegerisches Finsternis geboten. Eine spannende, tiefgründige Deutung über die Aufhebung jeglicher Moral, über seelische Ausnahmezustände, Kriegstourismus, Bomben-Partys und den ständigen Rollentausch von Wahrheit, Lüge und Trug. Lily Sykes bietet in ihrer Inszenierung keinen roten Faden, um den zahlreichen Sequenzen Halt zu geben, aber unsichtbar dreht sie der Gesellschaft mit einem Kernsatz der Aufführung einen Strick: "Wo immer zwei Menschen aufeinander treffen, bricht Krieg aus".

Ein vielschichtiges Stück, fordernd, herausfordernd, realisiert von einem exzellenten Ensemble.

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