Der ganze „Sommernachtstraum“, gespielt von einer Person, wie soll man sich das vorstellen?
KLAUS MARIA BRANDAUER: Lassen Sie sich überraschen, das funktioniert ganz wunderbar. Der „Sommernachtstraum“ ist ein Kaleidoskop der menschlichen Existenz – der hellen wie der dunklen Seite. Da werde ich in beide voll hineingreifen, und das wird auf jeden Fall ein Vergnügen für uns alle und vielleicht auch ein klein wenig Nachdenken bringen, das hoffe ich zumindest.

Warum eigentlich ist William Shakespeare auch fast 400 Jahre nach seinem Tod an den Theatern der Welt noch so erfolgreich?
BRANDAUER: Weil er immer noch unsere Dramen schreibt. In seinen Werken geht es um uns heute, so ist das einfach. Er wusste, wie wir Menschen ticken, und hat das mit viel Liebe und ebenso viel Humor beschrieben. William Shakespeare ist für mich einer der Grundpfeiler unserer Zivilisation. Ich lese Hamlet, Maß für Maß oder eben den Sommernachtstraum und erschrecke, woher weiß er das von mir? Ich finde bei ihm alles, unsere Ängste, Ausreden, Lügen, Hoffnungen, Eitelkeiten, Sehnsüchte, Triumphe.

Sie treten mit zwei Pianisten auf, wie arbeiten Sie zusammen?
BRANDAUER: Wir machen den Abend zu dritt, das ist ein ständiges Geben und Nehmen, wir sind da ziemlich eingespielt. Es gibt diese ganz fabelhafte Musik von Mendelssohn, die auf ihre einfache Art ein richtiger Wurf ist, weil sie so viel erzählt. Ich bin gern dabei, wenn Musik im Spiel ist. Ich sage immer, bei mir müssen die Schauspieler singen und die Musiker sprechen. Wenn das gelingt, dann sind wir beim Gesamtkunstwerk und darauf kommt es mir an.

Spielen Sie selbst ein Instrument?
BRANDAUER: Ich würde gern, aber mir fehlt da irgendeine Begabung. Ich müsste es sofort können, dann wäre ich sicher richtig gut. Doch den Weg dahin habe ich nie überstanden.

In Graz verzichten Sie zugunsten der Leukämiehilfe Steiermark auf Ihre Gage, halten Sie es für eine Pflicht erfolgreicher Menschen, auch für andere da zu sein?
BRANDAUER: Ich halte es grundsätzlich für die Pflicht eines jeden Menschen, für andere da zu sein. Wir können ja reichlich wenig dafür, in welches Bett wir geboren werden, und wenn wir wieder gehen müssen, sind wir auch alle gleich. Um die Zeit zwischendurch einigermaßen würdevoll zu absolvieren, muss man sich schon ab und zu umschauen, wo man gebraucht wird oder etwas tun kann.

Sie sind derzeit häufig in London, was machen Sie da?
BRANDAUER: In Covent Garden gibt es am 12. November die Uraufführung einer neuen Oper von Georg Friedrich Haas, es ist ein großes Abenteuer, mit dabei zu sein, wenn so ein Riesenwerk erstmals auf der Bühne steht. Sie heißt „Morgen und Abend“, das Libretto schrieb der Norweger Jon Fosse, und nächstes Jahr im Mai geht die Produktion an die Deutsche Oper in Berlin, dann in deutscher Sprache.

Spielen Sprachbarrieren für Sie keine Rolle?
BRANDAUER: Andere Sprachen sind keine Barrieren, sondern viel eher Erweiterungen der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. Und wenn man international arbeitet, kommt man am Englischen und Französischen nicht vorbei. Ich bin sehr froh, dass ich immer wieder Gelegenheit dazu habe, ich empfinde das als große Bereicherung.

In Peter Steins zehnstündigem „Wallenstein“ spielen Sie die Hauptrolle, wie merkt man sich so viel Text?
BRANDAUER: Es ist nicht die Frage des Merkens, sondern eher die des Lernens. Ich habe beim Wallenstein viele, viele Stunden ganz allein mit Schiller zugebracht und ihn manchmal verflucht. Aber es setzt sich dann Stück für Stück zusammen und wächst. Und zwar, wenn man den Worten Sinn hinzufügen, sich den Text zu eigen machen kann. Der große Rest ist dann die Reproduktion dieser Vorgänge, man könnte auch sagen Handwerk.

Filmrollen sind doch viel einfacher und bringen auch viel mehr Geld, warum plagen Sie sich immer noch mit dem Theater?
BRANDAUER: Also die Frage hat sich für mich nie gestellt. Die Arbeit auf der Bühne und die vor der Kamera sind zwei grundverschiedene Dinge, ich wollte mich nie für das eine und damit gegen das andere entscheiden. Gerade der häufige Wechsel macht es interessant.

In einem Satz: Was macht einen guten Schauspieler aus?
BRANDAUER: Er muss einen stabilen Zugang zu seinem eigenen inneren Wesen haben.

Und wann haben Sie diesen Zugang zu sich gefunden?
BRANDAUER: Ach, das ist ja ein ständiger Prozess, das hört ja nie auf.

Was möchten Sie vor Ihrem Tod noch unbedingt erleben?
BRANDAUER: (lacht) Fragen Sie mich das in 30 Jahren.