Sie sind neu im Schauspielhaus-Ensemble. Was ist für Sie schon typisch steirisch?
JULIA GRÄFNER: Ich war bis jetzt die meiste Zeit am Schauspielhaus und hatte kaum Zeit für Stadtstreifzüge. Ich fühle mich sehr wohl. Typisch steirisch? Gilt die Herzl Weinstube? Dort war ich schon drei Mal. Toll war auch die Genusstafel auf dem Hauptplatz. Diese Genusssache scheint sehr steirisch zu sein.

Sieht man sich den Spielplan an, fragt man sich angesichts Ihrer großen Rollen bei "Merlin", "Volpone" oder der neuen Performance "Ich würde alles für die Liebe tun, ich mach's aber nicht": Wann schlafen Sie eigentlich?
GRÄFNER: Ich versuche schon, Freiräume, die es gibt, für mich zu nutzen und mindestens acht Stunden zu schlafen. Theater ist Leistungssport. Bin ich müde, hat das Auswirkungen auf meinen Beruf: Ich bin schlecht gelaunt, habe keine Lust, mich zu bewegen, und keine Lust, zu sprechen. Das ist nicht unbedingt von Vorteil in diesem Job.

Julia Gräfner in
Julia Gräfner in "Volpone oder Der Fuchs" © SCHAUSPIELHAUS GRAZ/LUPI SPUMA

Neuzugänge müssen sich meist lange in kleinen Rollen bewähren. Bei Ihnen ist das anders. Warum?
GRÄFNER: Ich glaube, das liegt daran, dass ich schon in Bern diesen Vorlauf hatte. Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass ich mit drei großen Stücken hier an den Start gehen kann. Es ist mir bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist. Ich schätze diese Chance.

Was war denn Ihr Hauptargument für Graz?
GRÄFNER: Ich habe mich von Anfang an mit dem Team sehr wohlgefühlt. Ich wäre nicht um jeden Preis für ein fixes Engagement irgendwohin gegangen. Das Angebot richtete sich an Julia - und nicht an die kleine, lustige Dicke. Dass ich mein Masterprojekt hier zeigen darf, heißt auch: dass man mich als Künstlerin ernst nimmt. Auch das ist keineswegs selbstverständlich.

Ihre Masterarbeit nennt sich "Ich würde alles für die Liebe tun, ich mach's aber nicht". Das bezieht sich auf einen Song von Meat Loaf. Sie wurden 1989 geboren, das Lied kam 1993 raus. Welche Erinnerungen haben Sie denn daran?
GRÄFNER: Es war das Lied, mit dem ich Meat Loaf kennengelernt habe. Ich habe es immer schon gemocht. Das ist eine verspielte, romantische Erinnerung.

Wie kamen Sie auf das Thema?
GRÄFNER: Cora Frost, sie entwickelte das Projekt mit, hat mir einmal zum Geburtstag den Link zu einem Meat-Loaf-Video geschickt. Ich dachte: Der sieht ja aus wie ich! Gemeinsam mit Anna Wille, die als Dramaturgin mitgearbeitet hat, machten wir sehr viele Witze darüber. Irgendwann war klar: Da stecken viele tolle Themen drinnen. Erotik, das Anti-Ideal von Mann und Popstar. Meat Loaf fällt eigentlich aus jeder Kategorie - und trotzdem ist er superscharf; eine Ikone.

Was wollen Sie uns eigentlich mit der Performance sagen?
GRÄFNER: Es ist der Versuch, einen furchtlosen Ort zu ermöglichen - in puncto Weiblichkeit, Körperlichkeit, Erotik, Liebe. Ich glaube daran, dass das Theater auch ein furchtloser Ort sein kann.

Egal ob Hollywood oder Theater: Die meisten Schauspielerinnen sind schlank. Ist diese Produktion auch ein bisschen Abrechnung mit diesem Körperideal?
GRÄFNER: Abrechnung klingt zu negativ. Es ist vielmehr ein Umgang damit. Es ist so: Ich laufe in diesem Körper herum, der nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Ich verhandle meinen Körper auf der Bühne.

Haben Sie deswegen auch schlimme Erfahrungen gemacht?
GRÄFNER: Ja, auch. In Bern hat ein Kritiker über mich in "König Lear" geschrieben: "Unklar bleibt, warum Cordelia von einer 150-Kilogramm-Frau gespielt werden muss." Aber ich bin Schauspielerin: Ich bin schön, ich bin hässlich, ich bin Frau, ich bin Mann. Und ich darf all das auf der Bühne sein. Meistens ist es andersherum und die Menschen haben eine Freude an meinen Körperformen.