Es sei darum gegangen, die künstlerische Vielfältigkeit der Jahre zwischen 1906/7 und den 1930er Jahren in Russland zu untersuchen und dabei neue Ansätze zu entwickeln, schilderte Kunstforum-Chefin Ingried Brugger am Dienstag. Eine der Thesen sei, dass die Produktivität und Innovation jener Zeit mit der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung einhergegangen sei, sagte Heike Eipeldauer, gemeinsam mit Florian Steininger Kuratorin der bis 31. Jänner laufenden Ausstellung. "1968 war eben nicht die erste sexuelle Revolution."

Anhand von fünf Paaren wird in der "Liebe in Zeiten der Revolution" betitelten Schau nicht nur eine Chronologie über drei bewegte Jahrzehnte entworfen, sondern auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Generationen, Lebens- und Zusammenarbeitsformen gezeigt. Eipeldauer: "Selten war das Private und das Kollektive so eng verbunden wie in jener Zeit."

So startet die Ausstellung mit stark französisch beeinflussten Gemälden wie "Dandy in der Provinz" (1909) von Michail Larionow und einer pointillistischen "Eberesche" (1907/8) seiner Gefährtin Natalja Gontscharowa, zeigt aber auch schon bei den beiden, wie rasant und radikal die Weiterentwicklung der Kunst war. Schon bald trat das Gründungs-Duo der russischen Avantgarde als unorthodoxes Künstlerpaar öffentlich in Erscheinung und lieferte Publikumsbeschimpfungen und skandalträchtige Performances in den Straßen Moskaus ("quasi Moskauer Spaziergänge", nannte sie Steininger in Anlehnung an die viel später in Erscheinung getretenen Wiener Aktionisten).

Warwara Stepanowa und Alexander Rodtschenko bilden das zentrale Paar der Ausstellung und auch einen zentralen Moment der russischen Avantgarde, die weg von der Malerei und hin zur Produktionskunst ging. "Der Künstler begriff sich als Ingenieur und Konstrukteur", so Eipeldauer. An der Ausstellung "5 x 5 = 25", die 1921 das Ende des Tafelbildes ausrief, waren auch die Malerin Ljubow Popowa und der Architekt Alexander Wesnin beteiligt.

Über das gleichermaßen mit Bild- wie Schriftzeichen arbeitende Paar Olga Rosanowa und Alexej Krutschonych kommt die Ausstellung mit Valentina Kulagina und Gustav Klutsis und der immer größer werdenden Einverleibung der Konstruktivisten in die totalitäre Propagandamaschine zu einem "bitteren Ende" (Eipeldauer). Nicht nur die Kunst wurde auf Linie gebracht, auch die totale Befreiung in Ehe- und Sexualleben war bald nur noch eine historische Episode.