Als "Verschränkung von Vergangenem und Gegenwärtigem" beschrieb Kurator Matthias Michalka die Freitagabend eröffnende Ausstellung, die Werke von über 50 Künstlern und Künstlergruppen versammelt. Dabei habe sich der nicht aufzulösende Widerspruch ergeben, dass man einerseits eine "alles andere als kunsthistorisch aufgearbeitete Epoche" historisiert, die gleichzeitig davon lebte, sich kritisch mit Geschichtsschreibung und Ausstellungsformen auseinanderzusetzen. "Wir versuchen, diese Widersprüche transparent zu machen, weil man ihnen nicht entkommt", so Michalka. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die rund um 1990 auch in der Kunst verhandelt wurden, fasste mumok-Direktorin Karola Kraus zusammen: "Soziale Ausschlussmechanismen wurden zu einem zentralen Thema, Identitäts- und Genderfragen wurden heftig diskutiert und die Aids-Krise steuerte ihrem Höhepunkt entgegen."

Ausgrenzung im Kunstbetrieb und die verschwimmenden Grenzen von Ausstellungsobjekten thematisierte etwa der US-Künstler Fred Wilson 1991 in seiner Installation "Guarded View", in der der Afroamerikaner vier kopflose schwarze Schaufensterpuppen in Uniformen des Security-Personals von vier New Yorker Museen steckte, die nun im mumok zu sehen sind. "Als Aufseher ist man in einer gewissen Weise ausgestellt wie alles andere auch. (...) Aber anders als das Kunstwerk ist man unsichtbar", wird der Künstler im Begleittext zitiert.

Entlang einer Diagonale, die sich auf jeder der drei Ebenen durch die Ausstellung zieht, hat Michalka anhand von Pulten und Vitrinen typische Formen der Ausstellungsgestaltung aufgegriffen und zugleich aufgebrochen. Renée Green etwa präsentiert in einem Schaukasten ohne Verglasung unter dem Titel "Lost and Found" ihre Auseinandersetzung mit kolonialistisch geprägten Erkundungsfahren nach Afrika. Von der amerikanischen Künstlerin stammt auch das "Import/Export Funk Office", das im mumok neu aufgebaut wurde. Die als prozessurales Werk konzipierte Arbeit versammelt Objekte aus der Sammlung des deutschen Musikkritikers Diedrich Diederichsen und funktioniert als begehbares Bücherregal inklusive Video- und Audio-Stationen.

Auch im Rahmen der Arbeit des Düsseldorfer Kollektivs "BüroBert" kann man physisch in die Vergangenheit eintauchen: Im mumok findet sich eine Rekonstruktion jenes "Copyshops", der im Rahmen der "Unfair" (einer Gegenveranstaltung zur Art Cologne 1992) etabliert wurde und als Projektraum und Künstlertreff fungierte. Die zahlreichen dort aufgelegten Bücher, Zeitschriften sowie Video- und Audio-Material konnten im "Copyshop" kopiert werden; ein Kopierer findet sich auch 23 Jahre später in Wien, wenn er auch durchaus futuristischer anmutet als damals.

Von Heimo Zobernig findet sich die Installation "Amerikaner" aus dem Jahr 1992 in der Ausstellung: Die für den steirischen herbst konzipierte Arbeit setzt sich mit dem damaligen herbst-Thema "America - nowhere" auseinander. "Aufgrund des geringen Budgets und der kurzen Ausstellungsdauer entschied sich Zobernig aber für die (ironische) Thematisierung des Konzepts der Gruppenschau an sich und brach das Motto auf den lakonischen Titel 'Amerikaner' herunter", heißt es im Begleittext. Zentrales Element seiner Installation waren 500 Exemplare eines von Mathias Poledna gestalteten Buchs. Der Band beinhaltete Kopien der ersten Seiten aller Ländereinträge in der Encyclopaedia Britannica. Statistische Daten verwendete Zobernig auch für eine am Boden liegende Pressspanplatte, die zusätzlich mit der Aufschrift "Amerikaner" versehen wurde. Beides ist nun im mumok zu sehen.

Nach dieser umfangreichen Reise in die Vergangenheit, die auch zahlreiche Begegnungen mit Röhrenfernsehern und Audiokassetten bietet, lohnt auch ein Besuch der Ausstellung der in 1971 in Tirol geborenen und in New York lebenden Künstlerin Ulrike Müller. Ihr Werk sei durch den "politischen Kampfgeist in den kritischen 1990ern geprägt worden", so Karola Kraus. Müller zeigt im Untergeschoß des Museums moderner Kunst Arbeiten, die im Verhältnis von Abstraktion und Körper stehen. Die Medien und Formate, die Müller wählt, stellen Verbindungen zu anderen Lebens- und Produktionsbereichen her. So arbeitet sie etwa mit Emaille oder extra gewebten Teppichen, die etwa das immer wiederkehrende Motiv einer Katze, die hinter abstrakten Formen verschwindet, transportieren. "The old expressions are with us always and there are always others" ist bis zum 31. Jänner zu sehen.

Um Dialog nicht zwischen Materialien und Lebensbereichen, sondern zwischen Epochen geht es in der Neuaufstellung der Sammlungspräsentation im Erdgeschoß, die ebenfalls am heutigen Freitag eröffnet. Unter dem Titel "Always, Always, Others. Unklassische Streifzüge durch die Moderne" verschränkt Kuratorin Manuela Ammer gemeinsam mit Ulrike Müller Werke der klassischen Moderne aus der Sammlung mit Arbeiten "aus den eklektischen 70er-Jahren", wie es heißt. Thema sind alternative Körperbilder und Identitätsentwürfe, zu sehen sind Arbeiten von Oskar Kokoschka und Frantisek Kupka ebenso wie Werke der Künstlergruppe "Neue Wirklichkeiten" oder der Gugginger Gruppe.