"Vor siebzig Jahren war die Gemeinde eine der reichsten Österreichs. Heute ist das postindustrielle Vordernberg von Abwanderung betroffen. Aber es gibt Menschen, die sich gegen den prognostizierten Niedergang auflehnen", heißt es in der Ankündigung zu "Black Moonshine", der ersten Saison-Premiere des Grazer Theaters im Bahnhof im Rahmen des "steirischen herbstes".

Von Auflehnung gegen den bereits vollzogenen Niedergang der einstmals so bedeutenden obersteirischen Industrie-Marktgemeinde war am Samstagabend allerdings wenig zu bemerken. An Idee und Handwerk des gediegen werkenden Ensembles des Grazer Vorzeige-Off-Theaters mangelte es auch dieses Mal nicht.

Ein Abend voller Zitate

Die teils auf realen Recherchezitaten fußenden Kalauer von Rupert Lehofer als Besitzer einer zumindest vom Benzin trockengelegten Tankstelle (Toni alias Stoney) sind durchwegs gelungen, und auch Gabriela Hiti als unglücklich in den Trucker Mike verliebte Schnaps-Inhalier-Drossel spart nicht mit Pointen. Parallel zum Geschehen auf der Bühne flimmert ein Teil der Handlung über eine Leinwand, wobei die Interaktion zwischen den auf dem Parkett agierenden Schauspielern mit den Charakteren im Film einwandfrei klappt - inklusive eines Gesangsduetts zwischen Mike (herrlich fies und dennoch verzweifelt: Jacob Banigan) und seiner mysteriösen Angebeteten Luna.

Letztere - als schwarze Mondgöttin quasi Patin des Stücks - ist es, die mit ihrer illegalen Schnapsbrenneranlage die unheile Welt der Protagonisten - die vierte im Bunde ist die Künstlerin Marina (überdreht, ebenfalls verzweifelt: Eva Hofer) - endgültig zum Einsturz bringt. Die Figur der Marina muss mit ihren unglücklichen Ehen zu Afrikanern als Bindeglied zum programmatisch thematisierten, realen Schubhaftzentrum in Vordernberg herhalten.

Und genau an dieser Stelle offenbaren sich die Schwächen des Stücks. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es unter größtem Zeitdruck für den "herbst" fertiggestellt werden musste. Der Anspruch einer Auseinandersetzung mit der Flüchtlings- und Abschiebe-Problematik beschränkt sich im Wesentlichen auf ein paar zynische Dialoge und drei gelegentlich durchs Filmbild wandernde "Syrer".

Auch die anderen Fragezeichen im Handlungsverlauf - warum um alles in der Welt müssen etwa die Protagonisten das letzte Drittel des Abends in Unterwäsche bestreiten? - wirken unfreiwillig anstatt gezielt. Wenn am Schluss Leinwand-Luna einen Molotowcocktail auf Tonis tote Tankstelle wirft und diese samt ihrem Besitzer in gekonnter Zabriskie-Point-Zeitlupe in einer Feuerwand vergeht, so wirkt das wie ein Verlegenheitsende, so nach dem Motto: Wenn wir keinen zündenden Schluss finden, dann sprengen wir das Ding halt einfach in die Luft.

Trotz dieser Schwächen kam der Premierenabend am Samstag in den Vordernberger Barbarasälen beim Publikum gut an. Zu verdanken war das wohl der schauspielerische Klasse des TiB-Ensembles.