Mehr als 1800 Veranstaltungen in mehr als zwei Dutzend Ländern auf allen Kontinenten: "The Big Draw" darf sich mit Fug und Recht "The World’s Biggest Drawing Festival" nennen. Mit einer Fülle von Angeboten ist Graz nach 2014 zum zweiten Mal in das "Große Zeichnen" eingebunden. Im Vorjahr griffen in der steirischen Hauptstadt rund 4000 Menschen zu Zeichenutensilien, insgesamt waren es 414.000.

Ausgeschrieben werden jedes Jahr auch The Big Draw Awards, und zwar für die originellsten Projekte. Für das Vorjahr vergab im Mai Filmregisseur Mike Leigh in London die Preise. Auf der Shortlist waren unter anderem Einreichungen aus China, Indien, Singapur, Ungarn und Großbritannien. Vergeben wird auch der Ruskin Prize, allerdings nur an Personen, die in Großbritannien leben. Für "The Big Draw" ist die Rolle des Londoner Schriftstellers, Malers, Kunsthistorikers und Sozialphilosophen John Ruskin (1819 – 1900), der Zeichnen als vitales Werkzeug zum Denken, Erfinden und Kommunizieren sah, nicht unwesentlich.

Von der Gründung

Hervorgegangen ist der weltweit größte Zeichenevent aus einer 2000 ins Leben gerufenen Campaign for Drawing. Diese wiederum wurde von der englischen Guild of St George initiiert, einer Gründung der viktorianischen Epoche. Als St Georges Company wurde sie 1871 nach Vorbild der mittelalterlichen Lukasgilden ins Leben gerufen, von keinem Geringeren als eben dem bereits erwähnten Ruskin.

Der britische Rundumdenker, der Venedig über alles liebte und Turner ebenso schätzte wie er die (von Turner verabscheuten) Prä-Raffaeliten beeinflusste, liefert der Campaign for Drawing die gedankliche Basis. Zeichnen, so die Idee dahinter, sei das beste Mittel, um sehen zu lernen. Ruskin: "Zeichnen ist für die Menschheit wichtiger als Schreiben und sollte deshalb wie Letzteres jedem Kind beigebracht werden." Der Autor des Klassikers "The Elements of Drawing" (1857) weiter: "Ich würde Schüler eher das Zeichnen lehren, damit sie lernen, die Natur zu lieben, als sie zum Naturstudium anzuregen, damit sie Zeichnen lernen."

Schärfung der Sinne

Nicht also die Schaffung unzähliger Künstler ist das Ziel, sondern die Schärfung der Sinne für die Umwelt. Das Motto ist also nicht "Jeder kann zeichnen", sondern "Jeder soll zeichnen".

Auf der Website campaignfordrawing.org liest man denn auch ganz im Ruskinschen Sinn: "Zeichnen hilft uns, die Welt zu verstehen, hilft beim Denken und Fühlen, dabei, Ideen zu entwickeln und diese auch mitzuteilen." Und auf thebigdraw.org wird "The Big Draw Philosophy" so definiert: "Zeichnen ist nichts Exklusives. The Big Draw lädt Menschen jeden Alters, jeglicher Bildung und Fähigkeiten zur Teilnahme ein." Denn: "Wir leben in einer Kultur des Wortes und glauben, nur Wörter sind wichtig, Zeichnungen dagegen bloße Dekoration. Aber es gibt unzählige Dinge, die wunderbar ökonomisch und effizient mit einer Zeichnung erklärt werden können. Es ist für die meisten von uns wesentlich leichter aufzuzeichnen, wie ein Liegestuhl funktionert als es zu beschreiben."

In diesem Sinn: Join "The Big Draw". Zeichne und sieh!

WALTER TITZ