Die Realität kam den TV-Produzenten dazwischen: Während Ungarn gerade wieder Grenzzäune bauen lässt, seziert die sechsteilige ARD-Serie „Sedwitz“ (ab heute 23.30 Uhr und montags im Voraus online) den Mauerfall aus komischer bis bitterböser Perspektive. Es geht um das fiktive ostdeutsche Dörfchen Sedwitz im Jahr 1988, das durch die Mauer geteilt wird: in 26 Einwohner West und 23 Einwohner Ost. Der Bär steppt anderswo.

Absurder Alltag


Die Drehbücher stammen von Stefan Schwarz und dem Wiener Paul Harather („Indien“, „Die Schlawiner“), die die Mauer einen Spalt weit öffnen – „damit wir sehen können, was die Mauer für den Normalbürger war“, erklärt Schwarz.

Sie erzählen mitunter aberwitzig vom ganz normalen – absurden – Alltag an der Grenze, vom Schmuggel in der Provinz, von Affären, aber auch von der Lächerlichkeit der Regeln und der zunehmenden Ohnmacht des Regimes kurz vor dem Fall. Die Serie frönt mit den Mitteln der Ostalgie à la „Good Bye, Lenin“ oder „Sonnenallee“.

Der Schlüssel in die Freiheit

Worum geht’s: Ein Veteran der Nationalen Volksarmee vererbt dem DDR-Soldaten Ralle Pietzsch (Thorsten Merten) am Sterbebett einen Schlüssel für ein Trafohäuschen, durch das man sich durch einen unterirdischen Gang und via eine Kapelle vom Osten in den Westen schwindeln kann. Eigentlich will der Familienvater nur einmal rüber, um seinem Sohn zum Geburtstag einen Zauberwürfel zu organisieren. Es bleibt nicht bei dem einen Mal.

Korruption im Kleinen

Ralle (Thorsten Merten) und Hubsi (Stephan Zinner) erobern die Grenzregion
Ralle (Thorsten Merten) und Hubsi (Stephan Zinner) erobern die Grenzregion © (c) BR/Günther Reisp


Naiv entdeckt Ralle die Vorzüge des Westens, wo solche Schilder stehen: „Letztes Wirtshaus in freier Welt“. Ralle hat einen guten Lehrer: Hubsi Weißpfennig (Stephan Zinner), der lässt bei Frauen nichts anbrennen und ist der Schmuggelei nicht abgeneigt. Die beiden beginnen eine enge, illegale Zusammenarbeit. Erstes Fazit: großartige Figuren, herrliche Überzeichnungen und pfeffrige Dialoge. Warum die ARD „Sedwitz“ auf den späten Sendeplatz verräumt, ist nicht einzusehen.