Zu einem Filmfestival gehört das Promischaulaufen dazu. Doch bei den 72. Filmfestspielen Venedig, die am 2. September mit Keira Knightley und Jake Gyllenhaal im Eröffnungsfilm "Everest" starten, wird es eine noch höhere Stardichte geben als üblich: Auf der Gästeliste stehen etwa Johnny Depp, Benedict Cumberbatch, Anthony Hopkins, Robert De Niro, Eddie Redmayne - und das sind längst nicht alle.

Jake Gyllenhaal im Eröffnungsfilm
Jake Gyllenhaal im Eröffnungsfilm "Everest" © kk
Nimmt Kurs auf die Lagune: Johnny Depp
Nimmt Kurs auf die Lagune: Johnny Depp © APA/EPA/FRANCK ROBICHON

Die Welt des Kinos verändere sich derzeit genauso stark wie die Welt um uns herum, erklärte Festivalchef Alberto Barbera vorab. Es gäbe nicht mehr nur das eine beherrschende Zentrum wie Hollywood. "Wir bewegen uns auf neuem Terrain." Barbera ist sich auch sicher: Eine ganze Generation von Filmemachern verschwindet - weil sie schlichtweg zu alt ist oder mit wachsenden Finanzierungsproblemen zu kämpfen hat. "Das bedeutet, dass wir einen historischen Moment erleben, wo wir nach einem neuen Leitstern suchen."

Spannende Wettbewerbsfilme

Ob sie den dieses Jahr in Venedig finden werden, wird sich noch zeigen. Barbera scheint mit der 72. Festivalausgabe aber tatsächlich gelungen zu sein, neben etablierten Regisseuren auch viele jüngere Talente in den Fokus zu stellen. Außerdem sind im Wettbewerb mit 21 Beiträgen sowie in den Nebenreihen zahlreiche mit Spannung erwartete Werke aus verschiedenen Ländern dabei. Trotz des Glamours werden die Filme also nicht zu kurz kommen.

In der Konkurrenz um den Goldenen Löwen, der am 12. September von den Jurymitgliedern wie "Gravity"-Regisseur Alfonso Cuaron und der deutschen Schauspielerin Diane Kruger vergeben wird, ist etwa "The Danish Girl" des Briten Tom Hooper ("The King's Speech"). In dem Drama verkörpert der 33-jährige Eddie Redmayne, der in diesem Jahr den Oscar für seine Darstellung des Physikers Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" gewann, erneut eine reale Person: Die Dänin Lili Elbe war eine der ersten Transsexuellen, die sich Anfang der 1930er-Jahre einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog.

In "Rabin, the Last Day" erzählt der Israeli Amos Gitai von der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin 1995. Der Italiener Luca Guadagnino lässt in "A Bigger Splash" Tilda Swinton, Ralph Fiennes und "Fifty Shades of Grey"-Star Dakota Johnson auf einer Insel im Mittelmeer zusammenprallen. "Anomalisa" von Charlie Kaufman und Duke Johnson ist der einzige Animationsfilm in der Löwen-Konkurrenz, und mit "Beasts of No Nation" zeigt der US-Amerikaner Cary Fukunaga (Emmy für die gefeierte TV-Serie "True Detective") das Schicksal eines Kindersoldaten.

Helmut Berger in einem Dokumentarfilm (außer Konkurrenz)
Helmut Berger in einem Dokumentarfilm (außer Konkurrenz) © APA/EPA/SEBASTIEN NOGIER

Doku über Helmut Berger

Ein österreichischer Regisseur ist zwar nicht im offiziellen Wettbewerb, aber der Salzburger Andreas Horvath zeigt mit "Helmut Berger, Actor" einen Dokumentarfilm über den österreichischen Starschauspieler. Das Werk des 47-jährigen Regisseurs und Fotografen läuft in Venedig in der Schiene für Dokumentarfilme über das Kino und seine Protagonisten. Deutschland ist mit zwei Koproduktionen vertreten: In "Remember" erzählt Atom Egoyan von der Rache an einem Nazi, besetzt mit Christopher Plummer, Bruno Ganz und Jürgen Prochnow. Und in "Francofonia" schweift Alexander Sokurow, der 2011 den Goldenen Löwen für "Faust" gewann, durch den Louvre im Paris der Nazizeit.

Außerhalb des Wettbewerbs stehen ebenfalls einige Höhepunkte auf dem Programm. "Go with me" ist ein Thriller mit Anthony Hopkins und Julia Stiles. Das auf wahren Begebenheiten beruhende Werk "Black Mass" hingegen mit Johnny Depp und Benedict Cumberbatch erzählt von einem Gangster, der in den 70ern sein Imperium mithilfe des FBI stärkte. Einer der größten Startrümpfe des Festivals ist sogar ein Kurzfilm: "The Audition" wurde von Martin Scorsese gedreht, der dafür Brad Pitt, Leonardo DiCaprio und Robert De Niro vor die Kamera holte.

Rang und Namen

All diese großen Namen und Titel sind für Venedig auch deswegen wichtig, weil das Festival seit Jahren von der Konkurrenz im kanadischen Toronto unter Druck gesetzt wird. Toronto hat zwar keinen Wettbewerb, glänzt aber wegen der vielen Hollywoodstars und geriert sich gern als Oscar-Indikator. Doch Venedigs Programm spricht für sich. Allein seine Eröffnungsfilme der vergangenen zwei Jahre, "Gravity" und "Birdman", räumten bei den Oscars ab. Und auch in diesem Jahr scheint Venedig schon früh den Beweis anzutreten, dass es noch immer eines der wichtigsten Festivals der Welt ist.