Ab dem heutigen Mittwoch, pilgern erneut Tausende Filmfans für zehn Tage nach Locarno. Das größte Schweizer Filmfestival ist nicht nur ein Stelldichein für Cinephile, sondern zunehmend ein gesellschaftliches Rundumereignis. 179 Lang- und 87 Kurzfilme aus 50 Ländern sind von 5. bis 15. August bei der 68. Ausgabe zu sehen, darunter drei österreichische Produktionen.

Mehr für Schaulustige

Auch wenn Meryl Streep nicht zur Weltpremiere von "Ricki and the Flash", die das Festival eröffnet, anreist: Der rote Teppich, den das internationale Festival den Filmdelegationen allabendlich unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen auf der Piazza Grande ausrollt, wird heuer verlängert und für ein breites Publikum sichtbar gemacht. Dadurch können Schaulustige erstmals bereits den Empfang der Stars mitverfolgen - unter ihnen Hollywoodgrößen wie Edward Norton, der gleich am Eröffnungsabend auf der Piazza einen Special Award entgegennimmt, oder Komödiantin Amy Schumer, die für die Europapremiere von "Trainwreck" (dt. Titel: "Dating Queen") ins Tessin reist.

Zu den illustren Festivalgästen gehören weiters US-Schauspieler Andy Garcia ("Der Pate"), die 75-jährige französische Filmdiva Bulle Ogier, die für ihr Lebenswerk geehrt wird, sowie US-Regisseur Michael Cimino ("The Deer Hunter"), der ebenfalls auf der Piazza einen Ehrenleoparden in die Höhe strecken wird. Sie alle schwärmen vom magischen, 8.000 Zuschauer fassenden Freiluftkino auf dem lang gezogenen Stadtplatz, das immerhin rund 40 Prozent an den über 165.000 Eintritten ausmacht, die das Festival jährlich verzeichnet.

Auch für Festivaldirektor Carlo Chatrian ist die Piazza "das Herz des Festivals". Die dort gezeigten Filme sollen den "ganzen Reichtum und die Vielfalt des Programms repräsentieren und eine Reise durch das Weltkino bieten". Das diesjährige Piazza-Programm sei dafür ein gutes Beispiel: Nebst den US-Streifen laufen Filme aus Indien ("Bombay Velvet") oder Brasilien ("Heliopolis").

Großer Auftritt für "Jack"

Auch Burgtheater-Mime Johannes Krisch hat in diesem Rahmen seinen großen Auftritt: Gemeinsam mit Regisseurin Elisabeth Scharang und Co-Darstellerin Corinna Harfouch präsentiert er am Samstag (8. September) die Weltpremiere von "Jack" auf der Piazza. In Scharangs mit fiktiven Elementen angereichertem Psychogramm ist Krisch als legendärer Mörder und einst von der Wiener Schickeria gefeierter "Häfnpoet" Jack Unterweger zu sehen, während Harfouch eine der zahlreichen Unterweger-Geliebten verkörpert.

"Jack" (neuer Kinostart: 11.9.) ist einer von drei österreichischen Filmen im breit gefächerten Festivalprogramm. So läuft die österreichisch-portugiesische Koproduktion "O que resta" von Jola Wieczorek im Kurzfilmwettbewerb und ist Jakob Brossmanns "Lampedusa in Winter", eine Doku über den Alltag auf der italienischen "Flüchtlingsinsel", in der 26. Auflage der unabhängigen Kritikerwoche vertreten.

Im Hauptwettbewerb war Österreich zuletzt 2012 vertreten, damals mit "Der Glanz des Tages" und "Museum Hours" sogar zweifach. Heuer rittern 19 Filme um den goldenen und die silbernen Leoparden, darunter auch einige prominente Locarno-Rückkehrer. Dazu gehören neben der Belgierin Chantal Akerman ("No Home Movie") der polnische Regisseur Andrzej Zulawski, der 1981 die Jury geleitet hatte und nun seinen neusten Film "Cosmos" präsentiert. Ein Comeback gibt auch der Südkoreaner Hong Sangsoo mit "Right Now, Wrong Then". Sangsoo hatte 2013 mit "U ri sunshi" den silbernen Leoparden für die beste Regie gewonnen.

Sie stehen im "Concorso internazionale" u.a. dem Briten Ben Rivers ("The sky trembles and the earth is afraid and the two eyes are not brothers"), dem US-Amerikaner Rick Alverson ("Entertainment") und der Griechin Athina Rachel Tsangari ("Chevalier") gegenüber. Zur Jury gehört neben dem israelischen Regisseur Nadav Lapid u.a. auch der in den USA lebende deutsche Schauspieler Udo Kier ("Altes Geld").

Die große Retrospektive widmet das Festival dieses Jahr dem US-Regisseur Sam Peckinpah (1925-1984). Gezeigt werden alle seine Kinofilme, darunter etwa der Kultwestern "The Wild Bunch" aus dem Jahre 1969.

Spin-off-Festival "L'immagine e la parola"

Das Wachstum des Festivals ist nicht zuletzt durch die Kapazitäten der regionalen Hotellerie beschränkt. Deshalb will sich das Festival auch außerhalb der Hochsaison im August als Event positionieren. So fand im April bereits zum dritten Mal das Spin-off-Festival "L'immagine e la parola" statt - mit steigendem Zuschauerzahlen. Mit dem sich im Bau befindlichen Palazzo del Cinema erhält das Filmfestival voraussichtlich 2017 zudem eine ganzjährige Heimat. Im alten Schulhaus nahe der Piazza Grande entsteht für 33 Millionen Franken das lang ersehnte Festivalzentrum - samt drei Kinosälen und der Infrastruktur für weitere Events der Filmbranche.