Was ist/kann/soll/will die Kultur in der Steiermark?
Diskurse mit Vertretern der heimischen Szene in Zeiten von Richtungsstreits, Sparprogrammen und Verteilungskämpfen. Auf Ilse Weber folgt Kurt Flecker: Zweiter Teil unserer Gesprächsreihe "Perspektiven" über die steirische Kulturpolitik.

Seine Sommer verbringt er seit Jahren in Griechenland. Bis Ende September hat sich Ex-Kulturlandesrat Kurt Flecker (SPÖ) auf einem Bauernhof auf der Höhe von Korfu am Festland eingerichtet. Der 67-Jährige freut sich über die Aufforderung zum Telefoninterview: „Sie bringen Abwechslung in mein Hören. Hier höre ich die ganze Zeit nur die Zikaden.“ Was in der Steiermark passiert, verfolgt er auch aus der Distanz genau.

Herr Flecker, müssten Sie mit einem Verkehrszeichen den Zustand der steirischen Kulturpolitik beschreiben, welches wäre das?
KURT FLECKER: Dazu fällt mir erstens die Stopptafel ein und zweitens das Schild „Links abbiegen verboten“ (lacht). Die Stopptafel steht meiner Meinung nach für das strenge Verfolgen dieses Sparkurses und das extreme Kürzen mehrjähriger Verträge, das viele Initiativen stoppt.



Bleiben wir beim Bild der Stopptafel: Wer, befürchten Sie, leidet an der Montage solcher Tafeln am stärksten?
FLECKER: Es ist wie immer: Wird der Förderfluss gestoppt, trifft es die Schwächeren am stärksten und die großen Tanker weniger. Die Schwächeren gehen unter, weil sie davon leben. In weiterer Konsequenz wird so die Vielfalt der Kulturlandschaft zerstört.

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Was verbinden Sie mit dem Linksabbiege-Verbot?
FLECKER: Damit verbinde ich ideologische Zugänge gegen die Ambitionslosigkeit.

Was vermissen Sie denn am stärksten in der Kulturpolitik?
FLECKER: Ambition. Das, was derzeit in der Steiermark von kulturpolitischer Seite passiert, ist völlig ziel- und absichtslos. Man spürt, die Politik will nichts.

Ein Beispiel, bitte!
FLECKER: Für mich ist es typisch, dass die Diskussion über die Förderverträge zu einer Diskussion über ein Kulturkuratorium geworden ist, das in Wirklichkeit überhaupt keine Entscheidungskraft hat. Ob das Gremium nun gut oder schlecht besetzt ist, darüber kann man streiten, aber die Politik versteckt sich hinter diesem Kuratorium. Und es gelingt ihr dabei auch noch, sich der Verantwortung zu entziehen. Wenn ich Ambitionen hätte, dann würde ich meine Politik, so ich eine habe, verteidigen – und nicht die ganze Diskussion auf eine andere Ebene auslagern.

Heißt das, Sie können einem Beiratssystem in der Kulturpolitik prinzipiell nichts abgewinnen?
FLECKER: Nein, ich finde die Gremien nicht von vornherein schlecht. Ich finde es nur falsch, dass man die Diskussion über den Verlauf der Kulturpolitik und die Verantwortung abwälzt.

Geld regiert auch die Kulturwelt und war zuletzt das dominante Gesprächsthema. Muss sich denn ein kulturpolitischer Dialog immer über Zahlen definieren?
FLECKER: Natürlich wird immer über Geld diskutiert, weil Geld ja direkte Konsequenzen hat. Ich verstehe den Protest der Kulturinitiativen, die sich benachteiligt fühlen. Es ist eine Sauerei, dass ihnen der Hahn zugedreht wird. Noch dazu, wo im Vorjahr so getan wurde, als wären die Dreijahresverträge in den bestehenden Höhen unantastbar.

Dritte und letzte Regionale in Murau, 2012
Dritte und letzte Regionale in Murau, 2012 © Regionale/Milatovic



Eines Ihrer Steckenpferde als Kulturlandesrat war die Gründung des biennalen Kunstfestivals regionale, das 2008 erstmals und 2012 zum letzten Mal stattfand. Nun werden regionale Kulturinitiativen weiter beschnitten. Schmerzt Sie das doppelt?
FLECKER: Sagen wir so: Ich finde es kindisch, wenn jemand das, was davor aufgebaut wurde, plötzlich ratzekahl entfernt. So war das bei der regionale oder bei den Ateliers im Rondo. Ich wäre nicht beleidigt, wenn stattdessen etwas Neues gekommen wäre. Das war aber nicht der Fall. Ein Beispiel aus Liezen: Das Kulturviech verliert viel an Förderungen. Das ist ein Haus mit permanentem Programm, ein Stützpunkt im Bezirk. Der Schmäh, dass man sagt: „Du kannst ja für einzelne Projekte ansuchen“, funktioniert nicht, weil das Haus ja ein Programm erstellen und dafür wissen muss, wie hoch das Budget ist.

Fällt Ihnen eigentlich eine einzige gute Idee der letzten Jahre ein?
FLECKER: Ich bleibe beim Geld. Mir hat der erste Schritt von Christian Buchmann gefallen.

Nämlich?
FLECKER: Zu sagen, die Kleinen überleben und den Tankern schaue ich auf die Finger. Das hat er im ersten Jahr seiner Referenten-Tätigkeit versprochen und auch gemacht. Aber jetzt macht er alles wieder kaputt. Inhaltlich fehlt es an Ambition – was soll dann als Idee herauskommen?



Was kann Kultur für eine Gesellschaft leisten?
FLECKER: Wahnsinnig viel: Kultur ist ein Spiegelbild eines Kreativpotenzials einer Region. Wenn es Dialog und Diskurs gibt, dann lebt dieses Potenzial. Kultur fördert und befriedigt die Intellektualität einer Gesellschaft. Heute ist es leider oft so, dass Intellektualität durch Buchhaltermentalität ersetzt wird. Wird Kultur hinuntergeschraubt, wird Intellektualität ausgehungert – das ist die Gefahr. Christian Buchmann empfinde ich als reinen Wirtschaftsmenschen, der die Kultur als etwas sieht, was man gnadenhalber sponsert. Das ist der völlig falsche Zugang.

Und was muss Kultur leisten?
FLECKER: Den ständig wiederkehrenden Dialog zwischen verschiedenen geistigen Strömungen. In meinen Augen ist reproduzierende Kultur – also die Pflege alter ästhetischer Werte – nur ein Nebengleis. Für mich ist es wichtig, dass Kultur Dialog ermöglicht, Streit provoziert.

Wenn Sie dazwischenfunken dürften, was würden Sie tun?
FLECKER: Ich würde diese fade, nicht diskutierende Reformpartnerschaft in die Luft sprengen. Vielleicht könnte das auch einen kulturpolitischen Kampf auslösen.