Herr Schrempf, nach 18 Jahren als „La Strada“-Intendant: Sind Sie bei der Eröffnung noch aufgeregt?
WERNER SCHREMPF: Ja schon sehr, Gott sei Dank. Es wäre nicht gut, wenn ich nicht mehr aufgeregt wäre. Macht man das 18 Jahre lang, dann redet man sich Sachen ein wie: „La Strada“ ist wie ein Jugendlicher, der gerade erst 18 Jahre alt geworden ist – und so darf sich das Festival auch benehmen.
„La Strada“ wird erwachsen?
SCHREMPF: Das Festival hat noch ganz viel Zukunft vor sich, wird sich weiterentwickeln und will noch viel erreichen. Was uns anspornt: Das Viel-Wollen und der Wunsch, sich gemeinsam mit den Künstlern weiterzuentwickeln.
Was motiviert Sie persönlich?
SCHREMPF: Dass wir der freien Szene eine Möglichkeiten bieten, daran teilzunehmen. Das ist es, was ich will und wo ich den Sinn sehe, warum man so etwas so lange macht. Wir wollen auch, dass das Publikum ein Teil der Entwicklung ist, dass die Menschen das Gefühl haben, das ist ihr Festival und sie entwickeln das mit. Eben auch mit Projekten, wie jenes vom Kunstlabor UniT („Hello and Goodbye“), das aus den Lebensgeschichten der Menschen entwickelt wurde.
Wenn man bei dem Bild bleibt, „La Strada“ wird heuer volljährig, welche Entwicklungsstufen
hat das Festival seit seiner Gründung durchlebt?
SCHREMPF: Es war zu Beginn ein Festival internationaler Straßenkunst mit dem Puppentheater als zweite Ebene. Das war der Anfang. Dann haben wir sehr schnell, im Rahmen unserer Möglichkeiten, selbst zu produzieren begonnen. Ein nächster Schritt war 2003, als wir eine
erste Förderung der Europäischen Union für unser Netzwerk bekommen haben.

Wie positionierte sich „La Strada“ in Graz?
SCHREMPF: Mit künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Raum hat sich „La Strada“ immer als ein Festival gesehen, das einen Beitrag leistet zur Weiterentwicklung der Stadt. Zunächst sehr klar im Stadtkern, wo früher im Sommer am Wochenende die Gasthäuser zugesperrt haben. Und von dort weg, hat sich das Festival entwickelt und inzwischen gehen die Leute mit in die Randzonen der Stadt.
Stichwort „Reininghaus“?
SCHREMPF: Dort wollen wir als ein Teil von mehreren zu einer positiven Entwicklung beitragen, in Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften: Soziologen, Philosophen, Architekten, Stadtplaner usw. Damit ein Miteinander entsteht und man so einem Ort schon während seiner Entwicklung eine Vision mitgeben kann: Eine Zukunft, die anders gedacht wird.
Wie sieht denn die Zukunft aus?
SCHREMPF: Ich beobachte, dass junge Leute heute ganz andere Ziele für sich haben. Die brauchen kein Auto als Statussymbol. Die wollen eine Zukunft, wollen die  Gesellschaft anders gestalten, die Energie anders  verbrauchen, als wir es heute tun. Sie möchten nicht mehr in riesigen Supermärkten einkaufen gehen, sondern einfach ein anderes Leben haben.
Was kann „La Strada“ dazu beitragen?
SCHREMPF: Es ist gut, wenn man Kulturschaffende und junge Leute in Projekten miteinander diskutieren lässt und eine Vision entwickelt. Eine andere Form der Beteiligung ist für mich wichtig. „La Strada“ kann das nicht alles lösen, aber „La Strada“ kann einen Beitrag leisten und eine gute Stütze sein, für andere, auch in solchen Fragen Mut zu fassen.
Zum Abschluss: Gibt es diesjährige „La Strada“-Projekte, an denen Ihnen besonders viel liegt?
SCHREMPF: Das ist natürlich immer schwierig einzelne herauszunehmen. Was mich persönlich
besonders reizt und ich einfach wahnsinnig gerne mag, ist die Arbeit von „Adhok“ („Échappées Belles, issue de secours“). Das ist ein Projekt, das mich persönlich sehr berührt und mir wirklich Spaß macht. Diese Energie, wie es inszeniert ist und dieser Mut, der da drinnen steckt.
INTERVIEW: DANIEL HADLER

TIPPS

Die von Intendanten Werner Schrempf angesprochenen Projekte:

Projekt des Kunstlabors von uniT (Graz)
Projekt des Kunstlabors von uniT (Graz) "Hello and Goodbye" © KK/UNIT

KUNSTLABOR von uniT (Graz)
"Hello and Goodbye"Menschen kommen an, Menschen gehen und hinter jedem Wohnortwechsel stehen Geschichten. Das ist in Liebenau nicht anders als sonst wo in der Welt. Wer fortgeht, trifft Entscheidungen: aus Thailand in die Slowakei, von Marrakesch nach Marseille, von Trofaiach nach Liebenau – nachher ist vieles nicht mehr, wie es vorher war. Das Kunstlabor Graz hat in ganz Europa Menschen befragt, die umgezogen, aus- oder eingewandert oder noch am Weg sind. Ihre Erfahrungen, Beweggründe und Geschichten stehen für einen Reality-Check zur Verfügung. In einer Tour durch den Bezirk stellen sich die Besucher jenen Fragen, vor denen auch die Protagonisten einst standen; ihre Entscheidungen beeinflussen den Verlauf der weiteren Ereignisse. Eine Reise, die die Schicksalsfragen anderer für den eigenen Weg relevant werden lässt und die Frage aufwirft, wie man selbst entschieden hätte.

Termine: Geführte Touren von Samstag, 1. August bis Samstag, 8. August jeweils um 11 Uhr, 15 Uhr und 19 Uhr. Zusätzliche Nachttouren in der Nacht von Dienstag, 4. August auf Mittwoch, 5. August um 23.30 Uhr und um 01.30 Uhr. Individuell begehbar ist die Audiotour täglich von 10 Uhr bis 19 Uhr. Ausgangspunkt: Fiziastraße 13.

© Compagnie Adhok/Vincent Muteau

Compagnie Adhok (Frankreich)
"Échappées Belles, issue de secours"Der Notausgang des Altenheims steht offen und die sieben Seniorinnen und Senioren ergreifen die unerwartete Gelegenheit beim Schopf. In dieser humorvollen und poetischen Inszenierung machen sich Échappées Belles – die schönen Ausreißer - auf, wieder in das pulsierende Leben da draußen einzutauchen und sich lebendig zu fühlen, auch wenn ihre Bewegungen schwerfälliger, ihre Erinnerungen lückenhafter und sie alle ein wenig gebrechlicher sind. Die Künstler der französischen Compagnie Adhok setzen sich mit den Fragen, Erfahrungen, Erinnerungen, Wünschen und Hoffnungen des Älterwerdens in einer Welt auseinander, die der Jugend huldigt. Und lassen die Revolution wieder neu beginnen.