Für Fans gibt es im September ein besonderes Geschenk, nämlich die neue CD "Nessun dorma - The Puccini Album" - aufgenommen in Rom. Das Repertoire sangen Sie vor Kurzem in der Mailänder Scala. Das war sozusagen ein Sonderauftritt?


JONAS KAUFMANN: Ich hatte versprochen, an der Scala "Cavalleria rusticana" und "Pagliacci" zu singen. Aber mein Terminkalender ist zu voll. Ich musste absagen. Dieses Konzert war eine Art Wiedergutmachung.

Gibt es zum Album eine Vorgeschichte?

KAUFMANN: Kurz vor meinem zwölften Geburtstag brachten die Drei Tenöre ihre erste CD heraus. Mit einer grandiosen Aufnahme von "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot". Noch heute bekomme ich, wenn ich mich zurückerinnere, eine Gänsehaut. Lange Zeit wagte ich nicht einmal daran zu denken, "Nessun dorma" zu singen. Jetzt endlich habe ich mich getraut.

Was ist an "Nessun dorma" für Sie so besonders?

KAUFMANN: Schon der Beginn, die ersten Töne sind ein Wahnsinn. Da fällt mir nur eines ein: wow! Und wie Pavarotti das gesungen hat, mit seiner fantastischen, einzigartigen Stimme. Wie gesagt: Die Gänsehaut ist mir geblieben.

Ein Sprung nach Salzburg, zum "Fidelio". Kein Debüt für Sie. Was hat Sie so gereizt, den Florestan in der Festspielstadt zu singen?

KAUFMANN: Dass Claus Guth Regie führt. Ein hochinteressanter Mann. Gleich bei unserem ersten "Fidelio"-Gespräch haben mir seine Ideen gefallen.

Wie wird er seine Inszenierung anlegen?

KAUFMANN: Ich verspreche Ihnen: Wir treten nicht im Pyjama auf. Das hatten wir auch schon. Lassen Sie sich überraschen. Nur so viel möchte ich verraten: Es wird keine konservative Inszenierung. Die Dialoge werden anders eingesetzt als sonst. Es gibt Filmeinspielungen.

Auch in Salzburg werden Kameras dabei sein. Wie beim Konzert in Mailand, das zu einem späteren Zeitpunkt in mehr als 1000 Kinos in 40 Ländern gezeigt werden soll. Machen Ihnen Kameras beim Auftritt nichts aus?

KAUFMANN: In Mailand sind sie mir nur anfangs aufgefallen, dann überhaupt nicht mehr. Vor Kameras singe ich nicht anders als sonst. Es wäre völlig falsch, deswegen irgendetwas anders zu machen. Ich glaube, ich habe grundsätzlich ein gutes Verhältnis zu Kameras.

Sie werden oftmals als "größter Tenor unserer Zeit" bezeichnet. Wie hält man das durch? Wie lebt der "größte Tenor unserer Zeit"?

KAUFMANN(lacht): Indem er an so etwas gar nicht denkt; indem er weiß, welch großes Privileg dieser Beruf ist. Und das Schöne ist: Je mehr Energie du gibst, umso mehr kommt zurück. Aber das ist eine andere Energie als im Leben. Eine spirituelle. Die Gefahr ist nur, zu viel zu tun. Ich merke, dass ich so nicht weitermachen kann. Ein bisschen geht es da ums Überleben. Ich werde meinen Terminplan kürzen.

Manche Tenöre beklagen sich darüber, dass sie immer die "good guys" sein müssen. Die mit den tiefen Stimmen hätten die viel interessanteren schauspielerischen Aufgaben: die Bösewichte.

KAUFMANN: Da ist was dran. Aber immerhin: Der Pinkerton in "Madama Butterfly" ist ein harter, unangenehmer Typ. Und dem Alfredo in "La Traviata" könnte man vorwerfen, dass er in manchen Situationen so blind und dumm ist. Oder die Hauptcharaktere in "Pagliacci" und "Cavalleria rusticana". Ich singe so gerne beide Opern, weil diese Typen einander nicht unähnlich sind. Der eine: ein verrückter Freak, der seine Frau umbringt, und der andere - auch ganz schön verrückt.

Sie haben auf der Bühne schon jede Menge Rollen verkörpert. Da ist man abgeklärt. Oder gibt es Momente, wo Sie noch wirklich weinen könnten?

KAUFMANN: Als ich in jungen Jahren zum ersten Mal die "Butterfly" sah, haute es mich um. Ich war total sprachlos, weil ich alles, was auf der Bühne passierte, so ernst nahm. Natürlich: Die Unschuld schwindet mit der Zeit. Dennoch: Manchmal kommen solche Augenblicke zurück und mit ihnen die Tränen. Einmal, bei einem "Parsifal" unter Daniele Gatti, war ich auch nahe dran. Ich habe mich nur mit Mühe zurückgehalten. Doch ich habe beobachtet, wie die Souffleuse weinte.

Das Wort "sexy" gehört auch zu Ihrem Image.

KAUFMANN: Solche Komplimente sind ja charmant, aber ich nehme das nicht allzu ernst.

Sie sind Vater von drei Kindern, leben aber getrennt von der Familie. Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich noch genug um Ihre Kinder kümmern können?

KAUFMANN: Nein. Oder ja, ich versuche, sie so oft wie möglich zu sehen. Ich rede mir auch hin und wieder ein: Es gibt Jobs, in denen die Väter noch weniger Zeit haben. Aber: Die erste Antwort war die ehrlichere. Nein.

INTERVIEW: LUIGI HEINRICH

Dirigiert den
Dirigiert den "Fidelio": Franz Welser-Möst © APA/HERBERT PFARRHOFER