Viel Raum gibt es im neuen "Fidelio" der Salzburger Festspiele. Auf der Bühne, aber durch die Streichung der Dialoge auch im Stück selbst. Umso mehr ist Psychologie, spielt sich im Kopf der Figuren ab. "Wie stellt man dar, dass jemand verloren ist?", fragte sich "Florestan" Jonas Kaufmann bei einem Pressegespräch. Premiere der Claus Guth-Inszenierung ist am 4. August.

Kaufmann hat den Florestan oft gesungen. "Das ist eine der großen Herausforderungen für einen Sänger, eine Partie immer wieder neu zu erfinden", berichtete er. Besonders viel zu tun hat der Florestan im Stück eigentlich nicht - dafür sind seine Arien umso exponierter, sein Auftritt umso aufrüttelnder. "Wie Beethoven einen an der Hand nimmt und einen in diesen Kerker führt, die Dunkelheit hörbar macht, ist beeindruckend." Dann der Schrei, ein "innerer Schrei der Seele".

Der Florestan ist für Kaufmann in erster Linie ein chancenlos Verlorener, seit Jahren eingesperrt und gefoltert. Nur so sei auch die als unsingbar geltende Arie zu verstehen. "Man muss von der Idee weggehen, dass das herrlich gesungen ist. Beethoven hat die Stimme wie ein Instrument behandelt - nicht sehr sängerfreundlich. Aber das muss nichts Negatives sein, es kann ja auch darum gehen, die Mühsal und Schwierigkeit deutlich zu machen." Florestan sei kein Mensch mehr, die Arie keine Arie - "es ist eine Illusion".

Auch Franz Welser-Möst, der die Wiener Philharmoniker leitet, betonte den visionären Charakter der Oper. "Das ist die echte Schwierigkeit: Denn eine Vision kann man haben, aber nie erreichen." Musikalisch könne man sie "fahrbar, spürbar" machen, den Regisseur beneide er dagegen nicht. "In Bildern wird alles zur Realität." Beethoven sei Zeit seines Lebens ein "Realismusverweigerer" gewesen. Insofern gehe es bei seiner Oper auch nicht um "Einzelbegriffe wie Politik, sondern es geht weit darüber hinaus".

Den größten Eingriff ins Stück nimmt die aktuelle Produktion durch das Streichen der Dialoge vor. "Das war für mich Punkt eins", so Guth, für den die Musik "zum Unglaublichsten gehört, was ich kenne", während die Texte "in extreme Banalitäten abstürzen". Durch die Streichung wolle er ermöglichen, "dass man besser zuhören kann" und die Gesangsnummern "als wertvolle kleine Inseln" begreifen.

Bei Welser-Möst stieß er damit auf offene Ohren. "Es gibt einen Brief von Beethoven anlässlich einer Aufführung in Prag, wo er schreibt: "Macht mit dem Text was ihr wollt." Als Dirigent habe er selbst schon "genügend Aufführungen dirigiert, wo ich mir bei den Dialogen am liebsten die Ohren zugehalten hätte". Auch Jonas Kaufmann wird die "hausbackenen" Rezitative nicht vermissen.

Im kommenden Jahr wird der deutsche Tenor definitiv Salzburg-Pause machen, wie er gestern bestätigte. "Ich fühle mich hier pudelwohl, aber ich möchte auch wieder ganz andere Dinge machen und Träume erfüllen", erklärte er. Den vorigen Sommer habe er mit Auftritten in Australien verbracht, im nächsten Jahr ist eine Südamerika-Tournee dran. Wer den Opernstar allerdings noch heuer erleben will, wird sich auf die ORF-Übertragung verlassen müssen - der "Fidelio" ist seit Monaten ausverkauft.