Groschen wankt, aber er fällt nicht. Weder wird die auf Druck der Boulevardpresse mehrfach angedrohte Suspendierung des Kommissars Falt Groschen wirklich exekutiert, noch ist "Groschens Grab", das Franzobels zweitem Krimi seinen Titel gibt, ausgehoben. Vielmehr schweigt er wie ein Grab, wenn es darum geht, pikante Gerüchte aus der Wiener Politik für sich zu behalten. Doch darum geht es gar nicht.

Vordergründig geht es um die Ermordung der 82-jährigen pensionierten Buchhändlerin Ernestine Papouschek, die mit einem Senioren-Porno einen Bestseller geschrieben hat. Ihre Leiche wurde übel zugerichtet. Die Ermittlungen ergeben bald: Es gibt jede Menge Verdächtige, aber kaum ein plausibles Motiv. Dafür gibt es den ehrgeizigen Staatsanwalt Döblinger, der ein Ehrenzeichen verliehen bekommt und aus diesem Anlass einen raschen Fahndungserfolg gut brauchen kann. Da trifft es sich, dass das Tatmuster eines soeben aus der Haft entlassenen verurteilten Mörders genau auf das neue Verbrechen zu passen scheint. Groschen ist sich sicher, dass hier jemandem ein Mord untergeschoben werden soll - doch er hat bloß Ahnungen, keine Beweise.

Vielschreiber

Im Vorjahr hat sich Bachmann-Preisträger und Vielschreiber Franzobel mit "Wiener Wunder" erstmals als Krimiautor versucht und den leicht grantigen, etwas fülligen und ziemlich Alkohol-affinen Wiener Mord-Ermittler Falt Groschen in die bereits intensiv beackerte heimische Krimilandschaft eingeführt. "In Österreich gibt es kein Kaff, keine Kellerstiege, keine Ackerfurche, wo nicht irgendein drittklassiger Krimischreiber seinen Kommissar hingeschickt hat", macht sich Franzobel nun in seinem Zweitling über die Krimischwemme, in der er selbst mitschwimmt, lustig. "Und erst diese Regionalkrimis! Was ist die Definition eines Regionalkrimis? Ein Lederhosenträger ermordet einen Lederhosenträger mit einem Lederhosenträger."

Lederhosenträger gibt es zwar keine in "Groschens Grab", aber jede Menge skurrile Gestalten und pittoresken Lokalkolorit, bei dem neben Wien auch Sarajevo einen liebevoll beschriebenen Nebenschauplatz bildet. Es gibt auch manche eher harmlose Seitenhiebe gegen Kirche und Politik, Anleihen an kottaneske Komik und immer wieder Beispiele für Franzobels Kalauer-Kunst. Was es in diesem Groschen-Roman nicht gibt, sind jene Elemente, die einst einen Krimi erst zu einem Krimi machten: Spannung und Logik, Ermittlungs- und Denkarbeit, gemeinsames Tüfteln von Leser und Kommissar bei der Lösung des Falls.

Falsche Fährten

"Groschen verstand vieles nicht, nicht den aktuellen Fall, nicht seine Frau und am wenigsten das Leben", heißt es einmal. Franzobel legt falsche Fährten und stellt Fallen, aber eher um sich über das Genre lustig zu machen als um es zu bedienen. Lange sieht es danach aus, als läge der Schlüssel zur Aufklärung der sich zu einer Mordserie anwachsenden Verbrechen in der gemeinsamen Kommunen-Vergangenheit der Opfer (Kommunen-Guru Udo Schmalzl ist deutlich Otto Muehl nachgebildet), doch jede weitere Volte, die in ihrer Gesamtheit schlussendlich kaum mehr nachzuvollziehen sind, belegt nur Groschens Credo. "Ich traue jedem einen Mord zu, auch mir selbst." Am Ende steht zumindest fest: Groschen selbst war es nicht. Und ist bereit für seinen dritten Fall.

WOLFGANG HUBER-LANG

Franzobel: "Groschens Grab", Zsolnay, 288 S., 18,40 Euro;