Die Bühne gestaltete diesmal Alex Eales und errichtete ein geschickt angeordnetes Schloss, das wie ein Schatzkästchen in jedem Akt andere Räume freigibt - vom Weinkeller über die Dienstbotenzimmer bis zum Gartenpavillon. Darin öffnen sich stets mehrere Schauplätze gleichzeitig und Bechtolf gibt viel zum Schauen hinein - es wuselt in schönster Buffa-Manier, in allen Ecken des Hauses herrscht Betriebsamkeit, wird viel intrigiert und noch mehr verwechselt. Stilistisch sind wir in den Roaring Twenties, auch sonst gemahnt vieles an die TV-Serie "Downton Abbey" - was über die Optik hinaus allerdings keine Bedeutung hat.

Freilich, eine Deutung würde man vergebens suchen - wenn man inmitten des flotten Trubels verkrampft genug bliebe, sie zu vermissen. Nicht einmal einen Kommentar des Regisseurs könnte man aufspüren. Dass die beleidigte und betrogene Gräfin am Ende neben dem fröhlichen Sektgezwitscher nur ins Leere stiert, von Versöhnung mit dem Graf nichts zu merken, kann wohl kaum als Interpretation durchgehen. Es verweist nur - wie es Bechtolf schon am Ende der "Cosi" getan hat - auf eine gut verborgene Skepsis gegenüber der Komödienseligkeit.

Ansonsten geht die schnöde Auslegung diesem "Figaro" herzlich wenig ab. Bei detailverliebt geführten Figuren kommt man auch gut ohne charakterliche Tiefenschärfe aus, bei temporeich choreografierten Gruppenszenen sieht man über manche logische Unschärfe hinweg. Zu konventionell für den Ausnahmeanspruch der Festspiele? Möglich. Aber die schiere, charmante Logistik des Liebens, Leidens, Treppensteigens, Verkleidens, Versteckens und - nicht zuletzt - Singens in diesem mehrgeschoßigen Puppenhaus als geschmeidiges Uhrwerk laufen zu lassen, zeugt von Meisterschaft - und macht Spaß.

Apropos Singen: Darstellerisch war das Ensemble allerbestens disponiert, beim Stimmumfang hätte es dagegen noch Luft nach oben gegeben. Luca Pisaroni als eitler Graf erbringt die solideste Leistung ohne jegliche Ausfälle, Anett Fritsch sorgt in ihren Arien für einige schöne Momente, die Musik hätte aber mehr davon hergegeben. Martina Jankova ist eine in jeder Hinsicht süße Susanna, was nicht immer ausreicht, und Adam Plachetka gibt seinen Figaro mit viel Verve und stimmlicher Präsenz, aber auf recht variablem Niveau.

Den groben Mozart-Klang, mit dem Christoph Eschenbach sich in den beiden Vorjahren keinen guten Namen gemacht hat, durfte heuer ein junger Dirigent mit viel "Figaro"-Erfahrung ausmerzen: Der 44-jährige Dan Ettinger dirigierte die agil aufgestellten Wiener Philharmoniker vom Cembalo aus, auf dem er sogar selbst die Rezitative begleitet. Sein Mozart ist sportlich gut in Form: akzentreich und schnittig, mitunter geradezu maschinell und für die Sänger auch stellenweise zu laut. Rhythmisch koordiniert Ettinger aber alle drei Etagen der Musik mit Umsicht und dramaturgischem Weitblick.

2016 wird er auch die Wiederaufnahme dirigieren, Eschenbach den "Don Giovanni" und Alain Altinoglu die "Cosi". Ob dann der diesjährige Publikumshit auch auf die Zuschauergunst für die beiden ersten Teile abfärben wird, oder ob sich das Blatt gar umgekehrt wendet - von solchen zynischen Überlegungen sollte man sich den "Figaro" (der heuer, am 12. August, übrigens seine 250. Vorstellung im Rahmen der Festspiele feiert) erst gar nicht verderben lassen.