Mexiko - und damit jedweder geogeschichtlicher Kontext des Werks - sei eine "Sackgasse", erklärt Konwitschny im Programmheft. Und so kommt das titelgebende Land nur in kleinen Hinweisen vor: Durch eine Wetterapp, die auf Veracruz eingestellt ist, zum Beispiel. Oder durch ein Gemälde von Frida Kahlo, in dem sie sich als erlegten Hirsch darstellt. Es hängt über der Wohnzimmercouch, die Schauplatz der Begegnung von Aztekenherrscher Montezuma und Konquistador Cortez ist. Hier spielt sich chancenlose Nicht-Kommunikation ab - vom nervösen ersten Kennenlernen, über Sexspielchen, die außer Kontrolle geraten, bis zu den Geburtswehen (Montezuma gebiert iPads und Smartphones, die umgehend für digitale Gewaltspiele genutzt werden).

Auch in dieser Version ist Krieg - ein häuslicher Krieg, der immer wieder ins Gemetzel kippt. Wie der Hirsch in Kahlos Bild, wird dieses Weibchen durch ihre Beziehung langsam erlegt. Angela Denoke brilliert mit der Darstellung einer modernen Frau, die lieben und stark sein kann, auf eigenen Füßen steht und dennoch zerstört wird. Sie bleibt die Unterlegene gegenüber einer aggressiven Männerkarikatur, die vorrangig nackten Frauen, neuen Sportcabrios und brutalen Computerspielen nachhechelt.

Für all diese Elemente, die Konwitschny auch live auf die Bühne holt, finden sich logisch funktionierende Entsprechungen in Rihms Libretto: Der Sportwagen ist die Muttergottesstatue, die Cortez den Azteken zur Anbetung aufzwingen will, die nackten Frauen sind mit goldenem Bodypainting bedeckt und sollten auch vom Publikum nicht angestarrt werden, wenn Denoke durch die Sitzreihen zieht und klagt, dass die Spanier nur hinter dem Gold her sind. Die hemmungslose gegenseitige Ausrottung von Ureinwohnern und Eroberern wird schließlich an der Spielkonsole ausgetragen.

Wie Konwitschny dem flirrenden, fragmentierten Korpus aus Klang und Text ein perfekt konturiertes Kostüm maßschneidert, ist großes Regiehandwerk. Jeden offenen Assoziationsraum leuchtet er aus und füllt ihn mit gestochen scharfer Semantik. Jedes Stöhnen und Aufschreien, das dieser Oper ihren ruhelosen, bedrohlichen Klangteppich gibt, erhält eine szenische Funktion - und sei es das geräuschvolle Durchatmen nach einem Tequila-Shot mit anschließendem Biss in die Zitrone. Angela Denoke und Bo Skovhus tragen diese detailreiche Ausdeutung meisterlich, wie nebenbei bewältigen sie dabei auch noch ihre anspruchsvollen Gesangspartien.

Dennoch: Ein wenig bitter ist es schon, dass die Komplexität der "Eroberung von Mexico", seine Dramaturgie, die mehr auf suggestive Bilder und rituelle Handlungen setzt, als auf einen einfach verständlichen Plot, und dabei zahlreiche Spannungsfelder zwischen Religionen, Kulturen, Kontinenten und auch - aber eben nur auch - Geschlechtern miteinschließt, dem Werk so gnadenlos ausgetrieben wurde. Aus den vielen Gegensatzpaaren, die Montezuma und Cortez symbolisieren, greift Konwitschny nur eines heraus, setzt alles auf diese Karte und spielt sie dafür mit umso größerer Geste aus.

Die Reaktion des Publikums gibt ihm natürlich Recht: Fast erleichtert ob der vereinfachten Architektur des Geschehens bestaunte man die überdeutliche Passgenauigkeit zwischen Musik, Text und Aktion und gab sich bei der Klimax, wenn Chöre und Solisten, Instrumente und Elektronik die ultimative Schlacht zum Klingen bringen, einem psychodelisch schnell geschnittenen Bildersturm auf der Filmleinwand hin. Für sein Salzburger Debüt ist Konwitschny damit der Kunstgriff geglückt, sowohl seinem Ruf, als auch den Bedürfnissen seiner Zuseher mehr als gerecht zu werden.

Zurecht bejubelt wurden aber nicht nur Denoke und Skovhus, sondern auch die unterstützenden Sängerinnen (Susanna Andersson und Marie-Ange Todorovitch) und Sprecher (Stephan Rehm und Peter Pruchniewitz) sowie das Radio Symphonieorchester Wien, das unter Ingo Metzmacher eine bestechend präzise Darbietung der multidimensionalen Partitur leistete. Auch für die Radiohörer - Ö1 übertrug die Premiere live - muss das ein spannender Opernabend gewesen sein.