Beil sieht die von Schnitzler lakonisch so bezeichnete "österreichische Komödie" in direkter Linie mit Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald", Qualtingers "Herrn Karl" und Bernhards "Heldenplatz" verbunden: alles Stücke, die "skandalisiert oder mit Verbotsforderungen bekämpft worden sind - bis ihre Wahrheit offenkundig wurde", so Beil im Programmheft. Überdauernde Wahrheiten zu Intrigen, Mobbing, Doppelmoral, Antisemitismus enthält das Stück zur Genüge, Sätze wie "Es ist ja wirklich schrecklich, dass bei uns in Österreich alle Personalfragen auf politischem Gebiet endigen" erzeugen noch immer bitter zustimmendes Lachen im Publikum. 

Der Donauwalzer eröffnet neujahrskonzertartig die Szenerie und konterkariert sie zugleich wie alle folgenden Strauss'schen Intermezzi. In der von Bernhardi - Joseph Lorenz gestaltet ihn mit profundem Facettenreichtum als feinnervigen, klugen Geistesmenschen - geleiteten Privatklinik "Elisabethinum" geht es zu wie in einem Bienenstock. Tür auf, Tür zu, kurze Gespräche, die vom jeweils nächsten unterbrochen werden, dann wieder spannungsvolle Dialoge, rhetorische Duelle, polemische Scharmützel. Beil nützt geschickt das Rund des Neuen Spielraums zu dichten dramaturgischen Konstellationen, denen man drei Stunden lang atemlos folgt.

Fairerweise müssten alle Namen des bis in die kleinste Rolle großartigen Ensembles genannt werden: neben Lorenz seien u.a. André Pohl als deutsch-nationaler Widersacher Ebenwald, Rainer Frieb als emotional engagierter Verbündeter Pflugfelder, Peter Matic als selbstgefälliger Minister, Eduard Wildner, David Oberkogler, Alexander Hoffelner, virtuos Marcello de Nardo als rein optisch ersichtlicher Opportunist und Thomas Kamper in einer Doppelrolle stellvertretend erwähnt. Da kann man nur ins Schwelgen geraten - Chapeau!

INFO: Festspiele Reichenau: Arthur Schnitzler, "Professor Bernhardi". Regie: Hermann Beil. Mit Joseph Lorenz, André Pohl, Florentin Groll, Rainer Frieb, Eduard Wildner, David Oberkogler, Karin Kofler u.a., Aufführungen bis 4. August im Neuen Spielraum, Information, Restkarten und Bildmaterial: