Schlagholz gestand jedoch: "Ich kannte diese Frau gar nicht." Im Literaturunterricht seiner Schulzeit sei ihr Name "in all' den Jahren" kein einziges Mal gefallen. Ungleich kenntnisreicher zeigte sich nicht nur Franz Bachhiesl, der Präsident der Christine Lavant Gesellschaft, der als Techniker ein Germanistik-Studium an- und dieses mit einer Arbeit über Lavant abgeschlossen hatte. Bischof Alois Schwarz nahm die Platzsegnung mit dem ersten Band der Lavant-Gesamtausgabe statt der Bibel in der Hand vor, las Gedichte, nannte Lavant "eine Frau mit einer inneren Intuition, den Pisa-Test hätte sie nie bestanden", und verneigte sich vor der 1973 gestorbenen Dichterin. "Die große Lyrikerin hilft mir als Bischof sehr, dieses Land und seine Menschen zu verstehen."

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), der nach Absagen der vorgesehenen Redner Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Kulturlandesrat Christian Benger (ÖVP) kurzfristig damit überrascht worden war, selbst die Festansprache halten zu müssen ("Ich liebe Herausforderungen"), bewältigte die Aufgabe manuskriptfrei und mit Anstand. Im Rahmen umfassender Würdigungen Lavants geschehe in ihrem Geburtsort nun eine "Verortung - vom Rande in den Mittelpunkt", in der sich auch ein umfassender Heimatbegriff widerspiegle.

Angesichts der weiblichen Favoritinnen für den 39. Ingeborg-Bachmann-Preis und der Anwesenheit von Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlap erinnerte Kaiser an die neue Textfassung der Österreichischen Bundeshymne, die das Land als "Heimat großer Töchter und Söhne" würdige. Kaiser dankte auch dem Unternehmer Hans Schmid, der mit dem Kauf des Nachlasses und der Rechte geholfen habe, Lavants Werk wieder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. "Christine Lavant hätte für Dich bestimmt ein Gedicht oder ein literarisches Wort übrig gehabt."

Den Abschluss der Geburtstagsfeierlichkeiten, die am Nachmittag mit einem Sonderpostamt und einer Kranzniederlegung bei Lavants Ehrengrab begonnen hatten, machte am Abend eine hervorragend besuchte Lesung von Brigitte Karner und Peter Simonischek. Begleitet von den Musikerinnen Ingrid Oberkanins und Ilse Riedler ließen sie Christine Lavants Leben Revue passieren und setzten ihr Werk in Beziehung zu Rainer Maria Rilke, dessen Gedichte die in einfachsten Verhältnissen aufgewachsene Autorin als entscheidenden Anstoß für ihr Schreiben genannt hatte: "Rilke hat mein Leben geändert."

Die mit den "zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichten" begonnene vierbändige Werkausgabe des Wallstein Verlags wird im Herbst mit den "zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählungen" fortgesetzt.