15 Uhr. So geht es am Freitag weiter

Der Literaturtross macht sich jetzt - zumindest viele davon - mit dem Rad in Richtung See auf. Am Freitag beginnt der Kärntner Peter Truschner (10 Uhr), es folgen Falkner (11 Uhr), Tim Krohn (12 Uhr), Monique Schwitter (13.30 Uhr) und Ronja von Rönne (14.30 Uhr).

15 Uhr. Preiswürdig?

Nach dem ersten Lesetag hat sich Valerie Fritsch nachdrücklich für einen Preis empfohlen, viel Lob gab es auch für Nora Gomringer.

14.50 Uhr. Viel Lob

Viel Lob also für Valerie Frisch, der vieles "erstaunlich gut gelingt" (so Meike Feßmann) und bei der "die Bilder und Metaphern" stimmen und der große "Meisterschaft" (Stefan Gmünder) beweist. Die junge Steirerin hat sich damit auf jeden Fall nachdrücklich für einen Preis empfohlen - auch wenn er laut Hubert Winkels ein "überschaubares Terrain hat". Klaus Kastberger äußerte noch die Hoffnung, dass "wir bei der Abstimmung nicht vergessen, was wir jetzt besprochen haben. Ich habe nämlich mitgeschrieben."

14.34 Uhr. Die Diskussion

Meike Feßmann: "Eine durch und durch morbide Geschichte mit sehr starken Bildern." "In der Kälte auf einer Seite und dem Einfühlungsvermögen auf der anderen Seite sehe ich die große Qualität des Textes" und einige Stellen habe man "ganz lange im Kopf". Sandra Kegel sieht vieles "ganz wunderbar gearbeitet". Hildegard Keller hat den Text als ein "Memento mori" gelesen, der in "ganz gekonnter Weise die Zeit ästhetisch dehnt". Das Verblüffende sei in die Perspektive des Vaters gelegt, dass dieser den Blick auf die alte Tradition auffrischt. Und wer hier "empathisch ist, ist die Natur. Das hat mir alles sehr gut gefallen."

"Ein Sohn denkt sich in die Kastration des Vaters hinein", so Hubert Winkels. Ihn stört allerdings, dass der Vater ausgerechnet Tänzer war - das ist ihm "zu dick aufgetragen". Juri Steiner findet, dass der Tod eine "moderne Ausführung ist, denn es ist die radikalste Amputation". Für Klaus Kastberger ist es der bisher "literarischste Text, der sich bewusst in lange literarische Traditionen hineinbegibt".

14.28 Uhr. Text-Zitat

Fritsch erzählt in ihrem Text "Das Bein" vom "Vater" von Gustav, einst Tänzer, nun hat er eine Prothese, nachdem offenbar ein Baum auf ihn gestürzt ist. "Je mehr er an das Bein dachte und an die Kilometer, die es gegangen war, an die Wege und Reisen mit ihm, desto stärker fühlte er sich als Überbleibsel seiner selbst, als wäre er nur sein Bein gewesen und nun seelenlos zurückgeblieben. (...) Schaute er an sich herab, sah er den Schenkel eines Stahlskeletts, den Fuß einer Puppe, ein Mischwesen aus einem vergehenden Körper und einem Apparat, der ihn überdauern würde." (Text S. 4) 

14.15 Uhr. Valerie Fritsch

Die erste Österreicherin: Valerie Fritsch
Die erste Österreicherin: Valerie Fritsch © (c) ORF (Jasmin Schuller)

Und nun kommt die erste Österreicherin - soviel Patriotismus muss sein. Die Rede ist von Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, in der Steiermark und Kärnten aufgewachsen, lebt in Graz. Mit ihrem Roman "Winters Garten" sorgte sie zuletzt für Furore.  Ihr Videoporträt zeigt ein Gartenfest mit mehreren Generationen, üppigen Früchten, zahlreichen Insekten, immer bedrohlicherer Musik und einer brennenden rosa Perücke, die Valerie Fritsch selbst trägt. Zum Video geht es hier.

14.15 Uhr. Kaffee-Poesie

Heuer gibt es auch im Garten des ORF-Theaters eine Kaffee-Bar. Bei der gestrigen Eröffnung und heute Vormittag konnte man Kaffee gegen Poesie tauschen - die Gedichte hängen nun vor der Bar.

Kaffee-Poesie im Garten des ORF-Theaters
Kaffee-Poesie im Garten des ORF-Theaters © Fischer/KLZ

14 Uhr. Die Diskussion

Sandra Kegel sind die Figuren zu "stereotyp", es gibt aber auch Momente, die "überzeugend sind". Hubert Winkels sieht "viele Probleme", manches geht "literarisch gar nicht". Man wisse "zu viel über die Figuren". Meike Feßmann sieht eine Art "Theaterstück", der "Autor schickt die Figuren an die Rampe". "Es sind fast Figuren aus einem Klischeekaufhaus", meint Stefan Gmünder, er findet den "Ansatz gut, aber sprachlich habe ich mir schwer getan." Klaus Kastberger interessiert sich "nicht für den Text" und auch ansonsten ist die Ablehnung eher einhellig.

13.55 Uhr. Jetzt ist der Text da

Für alle, die gerne online mitlesen würden: Heuer dauert es, bis die Texte auf die offizielle Homepage gestellt werden. Der Text von Sven Recker ist gerade online gegangen, und zwar hier. Recker erzählt von drei Personen, zwei sind übrigens in der Psychiatrie, eine ist Ärztin.

13.45 Uhr. Sven Recker

Kandidat Nr. 4: Sven Recker
Kandidat Nr. 4: Sven Recker © (c) ORF (Puch Johannes)

Sven Recker wurde 1973 in Bühl/Baden geboren und lebt in Berlin. Er wurde von Meike Feßmann nominiert. Hier geht es zu seinem Videoporträt.

13.40 Uhr. Gespräch mit Peter Wawerzinek

Sorry, hängengeblieben, Infos zu Sven Recker folgen sofort. Musste Peter Wawerzinek noch schnell zu seiner "Rede zur Literatur" gratulieren, die er übrigens sehr genossen hat. Die Reakitonen des Publikums waren ja auch super, es wurde sehr viel gelacht. Wer einen kurzen Ausschnitt aus der Rede lesen möchte, in dem es um sein erstes Antreten beim Bachmann-Preis geht, sei auf die heutige Kleine Zeitung verwiesen. Den gesamten Text gibt es hier.

13.05 Uhr. Ganz Klagenfurt ist Bachmann

Die Texte der Bachmann-Autorinnen und Autoren gibt es auch via Internet-Portal pingeb.org. Dafür muss man nur das Smartphone auf einen der gelben Sticker im öffentlichen Raum legen - bzw. im ORF-Gelände tragen die Sticker das Logo der "Tage der deutschsprachigen Literatur" - und kann die Texte downloaden. Insgesamt gibt es 300 Sticker kärntenweit. Werbung gibt es dafür quer durch Klagenfurt, wie folgende zwei Fotos zeigen.

Ein pingeb.org-Turm am
Ein pingeb.org-Turm am "Alten Platz" © Georg Holzer/KK
Und auch im Strandbad gibt es eine Bachmann-Download-Station
Und auch im Strandbad gibt es eine Bachmann-Download-Station © Holzer/KK

12.46 Uhr. Spannende Diskussionen

Kurzes Resümee des ersten Vormittags: interessante Texte, spannende Diskussionen. Erstaunlich, wie schnell sich die Jury - in der immerhin drei neue Mitglieder sitzen - gefunden hat. Das macht Lust auf mehr. Jetzt gehen die Juroren erst einmal Mittagessen - um 13.30 Uhr geht es mit Sven Recker weiter.

12.39 Uhr. Kontroversielle Diskussion

"Es ist schwer, Literatur zu interpretieren. Je mehr Ebenen er eröffnet, desto interessanter ist er", fasst Klaus Kastberger die Diskussion eigentlich zusammen. Reales Kind oder nicht? Reale Beziehung oder nicht? Die Juroren jedenfalls diskutierten den Text von Saskia Hennig von Lange sehr kontrovers und auf sehr vielen verschiedenen Ebenen. Immer schön zu sehen, wie auch derart profunde Literaturkenner an den gleichen Text sehr unterschiedlich herangehen - das macht ja einen der großen Reize des Bachmann-Preises aus.

12.25 Uhr. Die Diskussion

Sandra Kegel sieht einen "Autotext", zweites Thema: "Kreisen um sich selbst". "Denken, denken, denken, das macht diese Figur. Wir folgen den Gedanken dieser Figur." Sie findet das großartig. Hubert Winkels sieht eine "gelebte Monotonologie". Meike Feßmann: "Die Geschichte will mir erzählen, ein Mann flieht vor der Nachricht, dass eine Frau ein Kind bekommt. Gleichzeitig hat sich das Paar das Kind gewünscht - und nun haut er ab. Ich finde dieses Grundmuster unplausibel. Und ich verstehe die Erzählhaltung gar nicht." Stefan Gmünder sieht einen Erzähler, der versucht, die "Beziehung zu Tode zu denken." Die "Vaterlosigkeit" in dem Text findet er zu "explizit".

"Das ist der vielleicht radikalste Text, den wir bisher gehört haben",  so Klaus Kastberger: "Mir war nicht fad, ich hätte mir etwas mehr Fadesse gewünscht als die aufgesetzten Ereignisse, die dann gekommen sind."

12.00 Uhr. Saskia Hennig von Lange

Kandidatin Nr. 3: Saskia Hennig Von Lange
Kandidatin Nr. 3: Saskia Hennig Von Lange © (c) ORF (Bogenberger Photographie)

Und schon ist die nächste Autorin dran. Saskia Hennig von Lange wurde 1976 in Hanau geboren und lebt in Frankfurt am Main. Sie liest auf Einladung von Sandra Kegel. Hier geht es zu ihrem Videoporträt und hier zu ihrem Text "Hierbleiben". Inhalt: Mann verlässt Frau, die gerade schwanger ist und fährt einem Job entgegen, macht Station auf einer Autobahnraststätte . . .

11.50. Es wird grundsätzlich

Am Text von Nora Gomringer zeigt sich etwas, was die Juroren in den letzten Jahren beschäftigt hat: die Differenz zwischen dem Leise-Lesen des Textes und zwischen der Performance. "Wir sind in einer Hybrid-Situation", so Hubert Winkels, denn "Literatur wird heute auch inszeniert". Die Juroren stehen also vor der Frage: Wie bewertet man den Vortrag mit? Früher gab´s übrigens immer wieder Diskussionen darüber, wie man Romanauszüge bewertet im Vergleich zu einer abgeschlossenen Erzählung. Literatur ist lebendig - das zeigt sich hier wieder einmal sehr deutlich.

11:33 Uhr. Die Diskussion

Sandra Kegel sieht einen Text mit Tempo und Komik, was verstörend ist, denn "im Kern geht es ja um eine ernste Geschichte", es sei eine "Verstörungskomödie", lobt sie. Hubert Winkels sieht im Publikum in dem Fall den "achten Juror" (es wurde viel gelacht).

Winkels sah ein extremes "Literatur in der Literatur in der Literatur"-Spiel. "Alle sind schuld in diesem Haus am Tod des Jungen und das ist großartig gelöst." Juri Steiner versucht "hinzukriegen, was ich mir vorgenommen habe: Dieses Haus ist das Universum und eigentlich geht es um die Suche nach dem Gott der verlorenen Dinge." "Wenn das Cern in Genf eine Hausautorin brauche", dann könnte Fr. Gomringer einspringen. Stefan Gmünder findet "sehr viele Perspektiven" in dem Text, das findet er "sehr sehr genial". Auch Hildegart Keller stimmt in den Chor "der lobenden Stimmen" ein und lobt das "Abgründige". Klaus Kastberger hinterfragt allerdings, ob der Text auch außerhalb des Wettlesens funktionieren könnte oder ob es ein "total medieninszenierter Text ist". Meike Feßmann hatte ebenfalls zwei total unterschiedliche Leseeindrücke: Zu Hause sah sie den gekonnt gemachten Text eine Poetry Slamerin, beim jetzigen Hören hörte sie "viel mehr Stimmen".

11.25 Uhr. Klagenfurt im Bild

Ganz neue Erfahrung: Erstmals werden bei der Übertragung Bilder aus Klagenfurt eingeblendet. Jetzt gerade: der Alte Platz samt der Regenschirme und Bachmann-Transparente, die über den Köpfen der Besucher baumeln

11.23 Uhr: Ein toter Junge

Nora Gomringer erzählt von einem Jungen, Tobias, der vom Balkon gestürzt ist. Eine Schriftstellerin, Nora, recherchiert in dieser Sache und befragt die Nachbarn im Haus. Ist Tobias gesprungen, weil er schwul war? Weil andere Jungen grausam zu ihm waren?

Voller Garten

Mittlerweile hat sich auch der Garten vor dem ORF-Zentrum gefüllt - vor allem viele junge Leute sind da. Da heuer der Bachmann-Preis nicht mit dem Ende des Schuljahres zusammenfällt, können auch Schulklassen wieder vorbeischauen.

Auch im Garten schauen alle in Richtung der Schirme, auf denen aus dem ORF-Theater übertragen wird
Auch im Garten schauen alle in Richtung der Schirme, auf denen aus dem ORF-Theater übertragen wird © Fischer/Klz

11.06 Uhr: Nora Gomringer

Kandidatin Nummer zwei: Nora Gomringer
Kandidatin Nummer zwei: Nora Gomringer © (c) ORF (Juergen Bauer)

Nun kommt mit Nora Gomringer die zweite Kandidatin. Gomringer wurde 1980 in Neukrichen an der Saar geboren und lebt in Bamberg. Sie hat an vielen Slam Poetrys teilgenommen, bekannt wurde sie als Lyrikerin. Sie liest auf Einladung von Sandra Kegel. In ihrem Videoporträt sieht man sie als Chefin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, das sie seit 2010 leitet. Ihr waren immer wichtig, dass die Texte, die sie geschrieben hat, auch so "vermittelt werden, wie ich sie erdacht habe." Ihr Text trägt den Titel "Recherche", es gibt ihn hier nachzulesen.

10.57 Uhr

Viel Lob also zum Auftakt für Katerina Poladjan. Als erste zu lesen ist ja immer eine Herausforderung. Und heuer vielleicht besonders: Da drei neue Juroren (Klaus Kastberger, Stefan Gmünder, Sandra Kegel) mit dabei sind, muss die Jury sich erst finden. Die von Hubert Winkels gewünschte schnellere Austausch lässt noch auf sich warten, aber das ist für den ersten Tag wohl auch zu viel verlangt. Und natürlich ist das Schöne an dem Bewerb auch, dass man den Juroren auch beim Entwickeln der Gedanken zuhören kann.

10.34 Uhr. Die Diskussion

Der neue Jury-Vorstizender Hubert Winkels ergreift nach der Lesung gleich einmal das Wort. Es sei ein "ruhig entwickelter Text", der aus drei Perspektiven verzählt wird. Man könne von einem "Missbrauch eines One-Night-Stands" sprechen. An diesem Missbrauch hänge die gesamte Existenz. Der "Haken, an dem diese Geschichte hängt, ist viel zu klein, der kann sie nicht tragen. Das ist zuviel für ein bisschen Sex." Hildegard Keller sieht "eher eine Familiengeschichte" und "der Text hält für mich nicht zusammen". Stefan Gmündner ist neugierig, was "mit dieser Frau ist". "Wenn Schweizer in die Berge fahren, wartet da meistens der Tod oder der Wahnsinn oder beides."

Klaus Kastberger findet den Text "ganz okay und in seiner Machart gut gemacht." Er hat allerdings das "Kratzborstige" vermisst. Juri Steiner liest den Text ein bisschen "französischer": "Es geht in dem Text um drei große Ängste: Tod, Liebe und Wahnsinn. In allen dreien verliert man die Kontrolle." Meike Feßmann, die die Autorin eingeladen hat, findet den Text "unglaublich stimmungsstark, wie ein Trompetenspiel von Miles Davis." Sie sieht "viele schöne Bilder für erotische Begegnungen."

10.15 Uhr: Das Zwitschern

Auf Twitter wird wieder ordentlich gezwitschert. Unter #tddl ist man mit dabei - dort wird über die Texte ebenso diskutiert wie über die Juroren oder Befindlichkeiten rund um den Bachmann-Preis.

10.08 Uhr: Die erste Autorin

Nun an der Reihe: Katerina Poladjan
Nun an der Reihe: Katerina Poladjan © (c) ORF (Puch Johannes)

Die erste Autorin wird vorgestellt. Katerina Poladjan wurde 1971 in Moskau geboren, lebt in Berlin und hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen vorzuweisen. In ihrem Videoporträt erinnert sie sich an Pilze, die die Mutter auf ihre Kleidung nähte. Und an eine Lehrerin, die sie "rettete", als sie aus Moskau nach Deutschland kam. "Sie hat zu mir gesagt: Die deutsche Sprache ist biegsam." Schreiben ist für sie ein Abenteuer, dass man "am Ende anders verstehen kann als am Anfang". Ihr Text trägt den Titel "Es ist weit bis Marseille". Nachlesen kann man ihn hier.

10 Uhr

Auf dem Gelände ist es noch relativ ruhig, im Theater selbst voll. Kaum wurden die Türen geöffnet, schon waren die Plätze auch alle besetzt. Heute lesen die ersten fünf Autoren um den mit 25.000 Euro dotierten Bachmann-Preis. Es lesen heuer so viele Frau wie noch nie, nämlich zehn Frauen und vier Männer. Das Durchschnittalter beträgt 39 Jahre. Fünf der Autoren kommen aus Österreich. So, nun geht es gleich los. 3sat überträgt bereits.

Das Video von der Eröffnung