Sympathisch, bescheiden und höflich. So habe ich Måns Zelmerlöw bei unserer ersten Begegnung Mitte April erlebt – und so ist er bis zu seinem Heimflug als Sieger nach Schweden geblieben. Der 28-Jährige ist jedoch kein „Headturner“, wie die Engländer sagen würden. Ein fescher Mann, zweifellos, aber kaum jemand dreht sich nach ihm um, wenn er durch eine Hotellobby geht. Ihm fehlt die Wiedererkennbarkeit eines Stars.

Die bravouröse Vorbereitung sollte hierzulande dennoch zu denken geben. Für 5. Juni ist bereits sein Album "Perfectly Damaged" angekündigt, das also schon vor dem ESC fertig aufgenommen wurde. Conchita hat ein Jahr dafür gebraucht. Die Idee mit den Strichmännchen-Projektionen war zwar von einem britischen Animationskünstler abgeschaut, der schon für den Cirque du Soleil und Disney gearbeitet hat, und musste auch etwas adaptiert werden (das animierte Männchen wurde z. B. bauchiger), um Copyrightverletzungen zu entgehen, aber zum Sieg hat sie verholfen. Hat doch das schwedische Fernsehen auch seit Jahren einen Song-Contest-Beauftragten, der sich professionell um die Auswahl von Schwedens Auftritten vor Europa kümmert.

Christer Björkman (links) mit Mans im Green Room bei der Punktewertung
Christer Björkman (links) mit Mans im Green Room bei der Punktewertung © AP

Der Mann heißt Christer Björkman, vertrat sein Land selbst beim Song Contest 1992 und wurde da mit der Ballade "I morgon är en annan dag" nur Vorletzter. Das Singen lässt er mittlerweile, dafür begleitete er nach Loreen („Euphoria“, 2012) nun in kurzer Zeit wieder einen Landsmann zum Sieg. Er weiß, dass es um das „Gesamtpaket“ auf der ESC-Bühne geht – und nicht nur um den Song. Was auch der ORF bei der Konzeption des Vorentscheids 2016 bedenken muss.

Angriff auf Zechner

Apropos ORF: Wie in meinem Blog am Sonntag exklusiv verraten, ist ein heftiger Streit zwischen der ORF-Spitze und dem Wurst-Management entbrannt. Weil Conchitas Auftritt mit zwei neuen Liedern kurz vor der Punktewertung nicht live übertragen wurde. Noch in der Song-Contest-Nacht ging Manager René Berto die Fernsehdirektorin des ORF, Kathrin Zechner, und deren provisorischen Unterhaltungschef Andreas Vana scharf an. Die beiden hätten darauf verwiesen, dass mdas ORF-Publikum Conchitas Darbietungen von "You Are Unstoppable" und "Firestorm" ja in der Wiederholung am Sonntagvormittag sehen könnte. Was auf der Management-Seite als Hohn empunden wurde, denn schließlich sei Conchita die Gallionsfigur und
Botschafterin des Song Contest 2015 in Wien gewesen.

„Das Ausblenden von Conchita ist nicht nachvollziehbar. Das wäre so, als ob man während des Elfmeterschießens um den WM-Titel einen Werbeblock sendet. Damit präsentiert sich der ORF wieder einmal als Mischung aus russischem Staatsfernsehen und deutschen Privatsendern und zeigt, dass ihm der öffentlich-rechtliche Auftrag zur Unterstützung und Förderung heimischer Popmusik kein wirkliches Anliegen ist“, schrieb Berto gestern in einem offenen Brief.

Am Dienstag erklärte er: "Es ist alles schon gesagt, nur nicht von jedem!" Für ihn sei mit dem offenen Brief die Angelegenheit erledigt. Und widmet sich den nächsten Karriereschritten seiner Künstlerin, etwa in den USA und im asiatischen Raum. Die nächste Single von Conchita soll im Sommer erscheinen.

Manager René Berto mit der Siegestrophäe von Kopenhagen 2014
Manager René Berto mit der Siegestrophäe von Kopenhagen 2014 © EXPA