"Jupiter selbst steigt in Schauern herab", schildert der Chor der Priester. Weil Georg Friedrich Händels "Semele" nicht in der seit zwei Jahrzehnten durch Europa tourenden Modellinszenierung von Robert Carsen zu erleben war, in der Cecilia Bartoli seit 2007 in Zürich und Wien Triumphe gefeiert hat, steuerte im verregneten Salzburg die Natur die passende Szenerie bei.

Auch ohne Inszenierung, aber durchaus mit lebhaft-beredtem Spiel, schlug Cecilia Bartoli in der leicht gekürzten, konzertanten Aufführung von Händels Oratorium als allzu fordernde Geliebte des Göttervaters das Publikum mit phänomenalen Koloraturen und enormer stimmlicher Wandlungsfähigkeit in ihren Bann. Neben ihr glänzten ihre Zürcher Partner Charles Workman als verliebter Jupiter und Birgit Remmert als eifersüchtige Juno. Hochkarätig war in der von Diego Fasolis am Pult seiner mit lichtem Klangbild musizierenden Barocchisti dirigierten Aufführung die Partie von Semeles irdischem Verehrer Athamas mit dem deutschen Countertenor Andreas Scholl besetzt.

Dessen französischer Stimmfachkollege Philippe Jaroussky stellte seine betörend timbrierte und ungemein geschmeidige Stimme in den Dienst griechischer Götter und Helden aus der Feder von Georg Friedrich Händel. Lebhaft assistierte ihm bei seinem Arienkonzert das Originalklangensemble "Orfeo 55" unter der Leitung seiner Gründerin Nathalie Stutzmann, die bei zwei Rezitativen und vor allem dem Duett "Son nata a lagrimar" aus "Giulio Cesare" als Zugabe bewies, dass sie noch immer zu den großen Altistinnen zählt.

Unter dem Motto "So ruf ich alle Götter" hat Cecilia Bartoli für ihre vierten Salzburger Festspiele ein ebenso dichtes wie facettenreiches Programm komponiert, das 12.650 Besucher aus 48 Nationen angelockt und eine Auslastung von 93 Prozent erzielt hat. Es reichte vom Film ("Iphigenia" von Michael Cacoyannis, "Orpheus" von Jean Cocteau) über das Lied und Madrigal, die Oper und das Oratorium bis zum Ballett.

Lässt sich der "Sommernachtstraum", den auch das Salzburger Marionettentheater zeigte, nur am Rande mit dem Thema vereinbaren, weil mit Theseus der Herzog von Athen Hochzeit feiert, so erntete doch John Neumeiers Ballettversion Jubelstürme. 1977 aus der Taufe gehoben, begeisterte die 298. Aufführung seines Klassikers durch sein Hamburg Ballett durch den hohen technischen Standard der Compagnie sowie die zeitlose Schönheit und den Witz der Choreographie. Die Teile, in denen Felix Mendelssohns Musik erklingt, spielte das Mozarteumorchester unter Simon Hewett handfest.



Virtuos über italienische und spanische Musik des 17. Jahrhunderts improvisierend, stellten Rolf Lislevand und sein Ensemble Saiteninstrumente wie Laute und Gitarre, Colascione und die Nyckelharpa als Nachfahren der Leier des Orpheus vor.

Orpheus und Odysseus kamen auch in einem ebenso originellen wie hochklassigen Vater-Sohn-Programm der von Jos van Immerseel begleiteten Tenöre Christoph und Julian Prégardien mit Musik von Claudio Monteverdi zu Ehren, das außerdem mit Franz Schuberts Auseinandersetzungen mit der griechischen Mythologie fesselte.

In Ö 1: 26. Mai, 10.05 Uhr (Prégardien), 25. Juli, 15.05 Uhr (Ensemble Lislevand).