Das grandiose Durcheinander an göttlichem und menschlichem Ränkespiel, das Händels Librettist nach den Metamorphosen von Ovid geschrieben hat, ist nur mit Humor gut auszuhalten. Eine kokett-charmante "Semele", ein verärgert polternder "Juno" oder eine tollpatschig beflissene "Iris" gehörten zu den amüsantesten Momenten dieses Abends in barockem Zeitgeist. Anders wäre das dauernde Hin und Her zwischen Unsterblichkeit, Liebe, List, Täuschung, interterrestrischen Flugreisen, Verwandlung, Ungeheuern, Auferstehung von den Toten, Traum und Alkohol deutlich weniger unterhaltsam.

Zwar wurde "Semele" immer wieder auch szenisch aufgeführt. Aber gute Sänger und gute Musiker reichen, um dem Werk gerecht zu werden. Aber die braucht man definitiv. Denn die endlosen Koloraturen sind halsbrecherisch schwer und lang. Der Atem, den man braucht, um eine singuläre Textzeile unzählige Male federnd leicht durch die Tonleitern zu balancieren, muss kräftig sein. Die Einsätze in den lyrischen Arien sind oft leise, hoch und heikel, und beides ist ohne Erholungspausen nahtlos aneinanderzureihen.

Das Salzburger Starensemble hat diese Anforderung erfüllt, auch wenn kein einziger Solist Händels technische Herausforderung makellos bewältigen konnte. Cecilia Bartoli als "Semele" verfügt bekanntlich über rhythmischen Instinkt und musikalische Intelligenz wie kaum ein anderer Musiker der Opernbühne. Und doch geriet sie in den Übergangslagen an die Grenzen ihrer Stimmkontrolle - manche Passage war mehr Percussion als Vokalklang. Andreas Scholl als "Athamas" brauchte eine Aufwärm-Arie bis er in den Puls von Händel fand, und auch Charles Workmans wunderbar klarer und kräftig strahlender Tenor war nicht ganz frei und Intonationsproblemen. Liliana Nikiteanu als Ino, Birgit Remmert als Juno, Rebeca Olvera als Iris und Peter Kalman als Cadmus und Somnus kämpften ebenfalls tapfer, klangen fantastisch und bekamen für ihren Gesang am Ende des Abends im Haus für Mozart verdienten und großen Applaus. Aber mit Links nahm keiner die sängerisch hoch virtuose Latte, die der große Deutsche 1743 in London gelegt hat.

Dasselbe gilt für Chor und Orchester. Der Coro della Radiotelevisione Svizzera und I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis haben sich engagiert ins Zeug gelegt und knackigen Originalklang hören lassen, der von Musizierlust und Energie meist nur so sprühte. Und diese kraftvoll-mitreißende Attitüde des Salzburger "Semele" wurde durch die vielen kleinen Individualfehler auf allen Ebenen nur kurzfristig getrübt.