Die Vielarbeiterin, die seit 2002 in Deutschland lebt, steckt derzeit an der Komischen Oper in Berlin in den Endproben für ein weiteres Händel-Werk, die Oper "Giulio Cesare in Egitto" feiert am 31. Mai Premiere. Nach den beiden Aufführungen des Oratoriums "Jephtha" bei den Festwochen geht es ansatzlos wieder zurück nach Berlin. Dass die 1978 in Connecticut geborene Regisseurin pro Jahr bis zu vier Inszenierungen realisiert, sei auch ihrem Amerikanertum zuzuschreiben, bekennt sie im APA-Interview mit einem Augenzwinkern: "Wir sind es nicht gewöhnt, uns eine Auszeit zu nehmen, uns zu erholen und zu schonen", lacht sie. Auch seien die ihr angebotenen Projekte immer so interessant, dass sie nicht Nein sagen könne.

Dass Händel einen wichtigen Platz in ihrem Berufsleben einnimmt, hat Gründe, die bis in ihre Kindheit zurückreichen. Steier, deren in Wien lebende jüdische Großeltern 1938 vor den Nazis in die USA flüchteten, wurde bereits mit elf Jahren zum Händel-Fan, als sie eine CD des Countertenors Jochen Kowalski mit Händel-Interpretationen geschenkt bekam. "Ich musste sie immer wieder neu kaufen, weil ich sie so oft gehört habe, bis sie kaputt war", lacht die Amerikanerin. Zunächst wollte sie selbst Sängerin werden, verschlang Händel-Interpretationen von Mezzosopranistinnen wie Marilyn Horne oder Lorraine Hunt Lieberson, aber als sich herausstellte, dass ihre Stimme für Händel-Partien "zu groß" war, beschloss sie, dem Gesang den Rücken zu kehren und sich dem Komponisten in ihren Regie-Arbeiten zu widmen.

Neben "Jephtha", das 2013 in Potsdam Premiere feierte, und "Giulio Cesare" inszenierte sie 2012 in Oldenburg bereits das Oratorium "Saul", das erst Ende April wieder in Regensburg gezeigt wurde. "Gleich Sofia Coppolas Film 'Marie Antoinette' haut Steier dabei mit den Versatzstücken des Barocktheaters um sich, ohne jemals Zweifel daran zu lassen, dass man sich in der Gegenwart befindet", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer lobenden Kritik.

"Händel erlaubt so viel Raum, er ist quasi das Gegenteil von Puccini, der einem genau sagt, was er von dir auf der Bühne erwartet", so Steier in einer Probenpause am Telefon. "Händel gibt einem ein gut konstruiertes Skelett, das man als Regisseur und auch Musiker mit Muskeln und Haut ausstatten kann, um ihm eine neue Form zu geben." Dass "Jephtha" vergleichsweise selten aufgeführt wird, liegt laut Steier, die in den vergangenen Jahren dennoch einen Händel-Oratorien-Trend wahrnimmt, an der Komplexität der Chorpartien. Diese könnten normale Opern-Chöre nur selten gut bewältigen. Bei "Jephtha" arbeite sie mit "einem der besten Chöre" (Chor der Potsdamer Winteroper, Anm.) zusammen, "wo jeder nicht nur ein exzellenter Sänger, sondern auch ein guter Schauspieler" sei. Am Pult der Kammerakademie Potsdam steht in Wien ebenfalls wieder Konrad Junghänel.

In Potsdam wurde "Jephtha" in der Evangelischen Friedenskirche gezeigt. Die sakrale Option habe sie für Wien bewusst ausgelassen, so Steier. Die Halle E im Museumsquartier sei wundervoll, zudem habe man dort die gesamte Infrastruktur vorgefunden, die man sonst mühevoll in einer Kirche hätte installieren müssen. Allerdings habe man das Bühnenbild dahin gehend überarbeitet, dass man nun versuche, einen Teil der ursprünglichen Atmosphäre zu erhalten.

Händels Oratorium, das der Komponist 1751 unter den widrigen Umständen seiner beginnenden Erblindung fertigstellte, geht es um einen Schwur, der sich in eine ungewollte Richtung entwickelt: Der biblische Feldherr Jephtha gelobt, im Falle eines Sieges das erste Lebewesen zu opfern, das ihm entgegentritt. Es stellt sich heraus, dass das seine Tochter ist. Alle, auch die Tochter, fügen sich in ihr "gottgewolltes" Schicksal. Kurz vor der Opferung erscheint ein Engel und verkündet, dass selbst die Treue zu Gott kein Recht gibt, Menschen zu töten. Das Opfergelübde wird in die Verpflichtung zu ewiger Jungfräulichkeit umgewandelt.

Steier freut sich jedenfalls schon sehr auf Wien. "Mein Großvater wäre sehr aufgeregt, wenn er das hier erleben könnte", schlägt Steier versöhnliche Töne mit der tragischen Geschichte ihrer Familie an. Eine Wiederkehr nach Österreich - eventuell mit einer neuen Inszenierung - möchte sie "nicht ausschließen". Sie sei eine große Bewunderin von Festwochen-Chef Markus Hinterhäuser, der ja bekanntlich 2017 die Salzburger Festspiele übernimmt. "Er ist ein visionärer Produzent und ich wäre begeistert, mit ihm zu arbeiten. Egal, wo er landet." Konkrete Pläne, so versichert Lydia Steier, gebe es jedoch nicht.

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Jephtha" von Georg Friedrich Händel. Österreich-Premiere des szenischen Oratoriums. Regie: Lydia Steier, Musikalische Leitung: Konrad Junghänel. Mit dem Orchester der Kammerakademie Potsdam und dem Chor der Potsdamer Winteroper. Koproduktion Kammerakademie Potsdam und Hans Otto Theater, Potsdam bei den Wiener Festwochen, Halle E des Museumsquartiers: Premiere am 24. Mai, 19 Uhr. Weiterer Termin: 25. Mai, Publikumsgespräch im Anschluss an die Vorstellung, )