Wolf Schneider zählt zu den bekanntesten deutschen Journalisten der Nachkriegszeit. Erfolg hatte er auch als Buchautor und "Sprachpolizist", der u.a. lange Jahre am Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg lehrte. Heute feiert der gebürtige Erfurter seinen 90. Geburtstag. Gleich mehrere Titel wie "Deutsch für Profis" hat Schneider der deutschen Sprache gewidmet. Genützt habe es aber wenig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Interview. Schreiben werde er darüber nun nicht mehr. "Das Thema ist ausgereizt." Aber ein, zwei andere Buchprojekte kann er sich noch vorstellen.

Herr Schneider, als Jugendlicher wollten Sie Schriftsteller werden. Wie viele Romane haben Sie denn geschrieben?

WOLF SCHNEIDER: Zwei, den ersten mit 16. Sie sind nicht erhalten, ich hatte rechtzeitig die Einsicht, dass es wohl nicht mein Feld sei.

In Ihrem Abiturzeugnis stand unter Berufswunsch aber "Professor der Philosophie", nicht Schriftsteller.

WOLF SCHNEIDER: Ja, mit meinen eigenen Romanen war mein Thomas-Mann-Traum zerstoben. Die Buddenbrooks haben mich unerhört beeindruckt. Dass ich das nicht konnte, war ja klar. So war halt der Professor der Philosophie meine ungefähre Vorstellung - mit dem Hochmut, ich könnte ganz umstürzende Dinge in die Welt setzen.

Mit 17 sollten Sie zur Waffen-SS, so wie Günter Grass. Sie haben sich dem widersetzen können.

WOLF SCHNEIDER: Ja, das war 1943. Grass hatte es wohl schwerer. Der Rest von Freiwilligkeit, der bei mir dabei war, ich durfte eben noch Nein sagen, war 1944 möglicherweise nicht mehr vorhanden.

Wann haben Sie das erste Mal überlegt, Journalist zu werden?

WOLF SCHNEIDER: Als ich Dolmetscher bei der US-Army war. Da hatte ich zum ersten Mal die Vorstellung, dass könnte ein Beruf sein, so vielseitig wie Philosophie, aber viel praxisnäher.

Was hat im ganzen Berufsleben am meisten Spaß gemacht?

WOLF SCHNEIDER: Die Journalistenschule, vom dritten Jahr an. Das erste war sehr schlimm, im zweiten milderten sich die Sitten. Danach war es eine begeisternde Aufgabe.

Was war beruflich die größte die Niederlage?

WOLF SCHNEIDER: Der Sturz vom Thron der "Welt", das war eigentlich die einzige große.

Hat Ihr lebenslanger Kampf für gutes Deutsch etwas genützt?

WOLF SCHNEIDER: Wenn ich lese, was heute so gedruckt wird, erkenne ich keinen Fortschritt. Ich habe sicher einen Einfluss größer als null ausgeübt, aber im großen Strom der deutschen Sprache bin ich wohl doch eher a fart in the whirlwind, wie die Amerikaner sagen, ein Furz im Wirbelwind.

Ärgern Sie sich noch über schlechtes Deutsch, wenn Sie es lesen?

WOLF SCHNEIDER: Ich ärgere mich sogar noch mehr. Wenn ich früher einen besonders entgleisten Satz fand, habe ich den beim nächsten Seminar vorgelesen, das war ein Trost. Das kann ich nun nicht mehr, weil ich keine Seminare mehr gebe.

Nehmen Sie noch einen Stift mit, wenn Sie aus dem Haus gehen?

WOLF SCHNEIDER: Ja, das ist nach wie vor der Fall. Ich habe in jeder Jacke ein paar Zettel und einen Kugelschreiber, um Einfälle festzuhalten.

Wofür sammeln Sie die?

WOLF SCHNEIDER: Ein, zwei Buchprojekte laufen noch. Und eine sprachlich sehr schöne Formulierung eines Mitmenschen halte ich einfach fest. Ich möchte nicht, dass etwas Gutes verloren geht. Aber über Sprache schreibe ich nicht mehr, das Thema ist ausgereizt.

Sie sagen, der Tod sei nichts Schlimmes, wenn die Sterberei nicht wäre.

WOLF SCHNEIDER: Ja, der Tod schreckt mich nicht, Sterben schreckt mich, das ist ja eine sehr verbreitete Idee.