Das Kriegsende vor 70 Jahren ist derzeit beherrschendes Thema. Welche Erinnerungen haben Sie an den Krieg beziehungsweise das Frühjahr 1945?

HEIDELINDE WEIS: Na, so einige. Wir waren alle bei meiner Großmutter in Villach-Lind. Sie hatte dort ein kleines Häuschen. Ich war fasziniert von den Christbäumen, die von den Fliegern heruntergelassen wurden, um zu sehen, wo man hinschießen muss. Einmal sind wir aus dem Keller rausgekommen und es war nur Staub um uns herum. Die Oma und die Mutti haben uns Kinder ganz fest gehalten, es hat alles gebebt und die Hälfte der Steinveranda war abgebrochen. Später lebte ich eine Zeit lang bei meiner Großmutter, nachdem der Großvater gestorben war. Jedes Mal, wenn ich von der Schule über so einen kleinen Weg zum Grundstück gegangen bin und es ist ein Flugzeug drübergeflogen - der Krieg war längst vorbei - habe ich mich auf die Erde geworfen.

Sie haben bald nach dem Reinhardt-Seminar hauptsächlich in Deutschland gearbeitet. Auch sehr viel Leichtes . . .

WEIS: Das Leichte ist ja manchmal schwieriger als alles andere, was so wahnsinnig wichtig erscheint. Wenn man "Othello" spielt, "Was ihr wollt", "Antigone" und so weiter, wird man schnell anerkannt. Aber, natürlich: Wenn man einmal Gast ist in einer Fernsehserie - dann ist es eigentlich gelaufen. Das bleibt, und da ich im Lauf der vielen Jahre in jeder Serie einmal Gast war . . . Das Theater wird leider nicht so beachtet.

Aber Sie spielen nach wie vor Theater und seit einigen Jahren auch in Kärnten.

WEIS: Also eigentlich wollte ich, wenn ich in Kärnten bin . . . (zögert)

. . . eine Ruhe haben.

WEIS: Auf den Punkt. Vor vielen Jahren habe ich einmal mit dem ORF-Landesstudio eine Dokumentation über die Christine Lavant gedreht. Aber sonst? Für Karl Spiehs habe ich einmal zwei Filme gemacht. Und das mit dem Theater - Dietmar Pflegerl hat mich angerufen, ob ich einspringen könnte bei "Onkel Wanja", das war eigentlich so gar nicht meine Rolle, die Mutter von Wanja. Aber er hat mich so gebeten und ich war gerade hier, also habe ich zugesagt. Es war dann eigentlich sehr schön, leider ist Pflegerl bald danach gestorben (Anm.: im Mai 2007).

Und dann kamen die Komödienspiele Porcia in Spittal.

WEIS: Ja, da war ich sogar ein paar Mal. Einmal mit dem Karlheinz Hackl, dann mit Werner Schneyder. Aber im Verhältnis zu dem, was ich gearbeitet habe, ist Österreich null.

War es für Sie angenehmer, in Deutschland zu arbeiten?

WEIS: Es hat sich so ergeben. Als ich von Wien wegging, das war 1960, ging es in Deutschland ziemlich bald schnell aufwärts. Aus Österreich kam selten etwas, außer einmal: Das war "Ein Glas Wasser" im Theater an der Wien, die letzte Regie von Helmut Käutner. Der wollte unbedingt, dass ich das mache. Iwan Rebroff spielte den Graf. Das war das einzige Mal, dass ich in Österreich gearbeitet habe. Ich glaube, viele wissen gar nicht, dass ich noch auf der Welt bin. Das hier in Klagenfurt ist, so hoffe ich (sie klopft auf Holz), ein glücklicher Zufall. Die "Sechs Tanzstunden in sechs Wochen" habe ich vor genau zehn Jahren in München gespielt. Aber Regisseur Patrick Schlösser hat eine ganz andere Arbeitsweise und so wird es ein komplett anderes Stück. Entweder es geht hops oder es wird toll, mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Würden Sie privat auch Tanzstunden nehmen?

WEIS: Ich glaub nicht. Ich muss genug herumtanzen. Eigentlich reicht mir Fasching. Als Privatmensch bin ich eher zurückhaltend. Ich bin zwar jetzt zu diesem Klassentreffen am Wörthersee von Karl Spiehs, den ich sehr verehre, eingeladen; und da geh ich auch hin.

Sie haben ja sogar Schallplatten aufgenommen und für die erste den deutschen Schallplattenpreis erhalten. Ist das nun auch vorbei?

WEIS: Ja, alles hat seine Zeit. Ich hatte das Glück, dass mit der ersten Langspielplatte niemand gerechnet hat. Ich war damals ziemlich krank, konnte nicht laufen, aber der Kopf war da. Also habe ich angefangen zu texten. Ich habe mir gedacht, wenn das meinen Freunden Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder gefällt, dann mach ich es. Dass ich gleich den Schallplattenpreis bekommen habe, hat mich ja umgeworfen. Die zweite hat sich dann schon weniger verkauft, die dritte kaum. Ich hätte mehr tun müssen, aber Klinkenputzen und dafür herumrennen, das ist ganz einfach nicht mein Beruf.

Von Ihnen ist bekannt, dass Sie finden, Hunde sind die besseren Menschen. Was für einen Hund haben Sie zurzeit?

WEIS: Keinen. Als die Emma, mein Hund, gestorben ist, bin ich weg von dem Haus. Sie ist dort geboren, aufgewachsen, es war ihr Zuhause. Schon nach dem Tod meines Mannes war das Haus für mich allein einfach zu groß mit dem riesigen Grundstück. Ich habe es verkauft und lebe jetzt in Villach. Aber wenn, dann möchte ich einen richtigen Hund, und nicht (sie deutet etwas in Schoßtiergröße an) . . .

Gibt es Pläne für die Zeit nach der Klagenfurter Aufführung?

WEIS: Nein. Es kommt immer jemand aus Deutschland, der mir etwas anbietet. Aber ich habe genug gearbeitet. Textlernen ist das Schlimmste für mich, immer gewesen. Ich brauche endlos lange, und den Stress hängen zu bleiben, habe ich immer. Ich freue mich auf diese Produktion und habe mit Nikolaus Barton einen hinreißenden Partner. Es ist gut und in Ordnung, dass ich verschiedene Dinge nicht mehr machen muss. Und, wie gesagt, wenn ich in Kärnten bin, habe ich am liebsten meine Ruhe.

INTERVIEW: USCHI LOIGGE