Durch die systematische Enteignung von Vertriebenen, Deportierten und Ermordeten raubten die Nationalsozialisten ein enormes Vermögen. In den letzten Kriegstagen wurden Teile davon in den Alpenraum verfrachtet. Seither hält sich die Legende, dass im Ausseerland noch heute Gold und andere Wertgegenstände versteckt sein sollen. In beinahe kriminalistischer Manier machte sich der Filmemacher Manfred Christ für die morgige „Terra Mater“-Dokumentation „Das verlorene Gold der Alpenfestung“ auf die Suche nach dem Wahrheitsgehalt der Mythen.

Herr Christ, die Geschichten über das Nazigold in Aussee wurden in den vergangenen 70 Jahren vielfach in vielen Filmen und Dokumentationen verarbeitet. Warum wollten Sie sich noch einmal mit dem Thema befassen?
MANFRED CHRIST: Es gab von Terra Mater das Vorhaben, dieses Thema noch einmal in irgendeiner Form zu verarbeiten, schon länger. Da bin ich durch mein Naheverhältnis zu der Gegend in die Auswahl gefallen, um mich damit zu beschäftigen. Und mein Ansatz war zuerst 'Nein, um Gottes Willen nicht schon wieder diese Toplitzsee-Geschichte, ich halte es nicht mehr aus!'

Manfred Christ:
Manfred Christ: "Jahrzehntelang wurde in den Büchern der Unsinn fortgeschrieben" © Servus TV

Sie haben dann trotzdem zugesagt?
CHRIST:Was mir als Erstes aufgefallen ist: Einer schreibt vom anderen ab, jahrzehntelang wurde in den Büchern der Unsinn fortgeschrieben und auf jedes Gerücht wird durch ‘Stille-Post’ ein zweites Gerücht daraufgesetzt. Da habe ich den heiligen Zorn gekriegt – das war mein Kick, sodass ich angefangen habe. Dann habe ich mir gesagt, wenn ich das mache, dann möchte ich eine ordentliche Recherche machen und auch die Primärquellen haben dann möchte ich das, was in diversen Büchern steht, hinterfragen.

Ein hoher Anspruch - wie verliefen die Recherchearbeiten?
CHRIST: Ich habe mich in die Archive gesetzte, ins Landesarchiv in Linz, ins Staatsarchiv in Wien, in die National Archivs in Washington. Ich habe überall gestöbert und versucht Originaldokumente, wie originale Briefwechsel, Zeugeneinvernahmen, Verhörprotokolle zu finden. Natürlich kann man dann nie wissen, ob der damals gelogen hat. Das kann ich heute nicht mehr beurteilen. Aber ich kann zumindest sagen, es gibt niemanden, der das interpretiert hat zwischen dem damaligen Zeugen und mir. So habe ich versucht alles auf das herunterzubrechen, was in den Primärquellen zu finden ist. Ich habe einfach keine Ruhe gegeben, bis ich auf diese Funde gestoßen bin. Zusätzlich habe ich auch noch ein paar Zeitzeugen ausgegraben, die ihre Geschichten bisher noch nicht erzählt hatten.

Seit 70 Jahren wird im Salzkammergut spekuliert, gesucht und getaucht
Seit 70 Jahren wird im Salzkammergut spekuliert, gesucht und getaucht © Servus TV

Wie präsent ist das Thema für die Ausseer selbst?
CHRIST: Es scheint wohl so zu sein, dass es für die ältere Generation – vielleicht die, wo der Papa noch im Krieg war – noch ziemlich präsent ist. Bei den Jungen lässt das Interesse dann nach, da ist das dann schon zu fern. So haben wir das eingeschätzt. Die Legende ist die Tochter der Zeit.

Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet?
CHRIST: Dadurch, dass dieses Projekt gestartet ist und es dann eine lange Pause gab und schließlich wieder angelaufen ist, habe ich insgesamt fast drei Jahre daran gearbeitet. Aber nicht durchgehend, ich muss ja von etwas leben auch und außerdem wäre das völlig verrückt.

Wie sah die Vorbereitung auf die Dokumentation aus?
CHRIST: Ich bin dann zum Beispiel einmal zwei Tage ins Landesarchiv gegangen und dort sitzt man vor einer Kiste mit Unterlagen und nach drei Stunden wird einem schwindelig, weil man nicht mehr weiß, wer was gesagt hat. Dann habe ich auch noch viel mit den Ausseern geredet und versucht, an die Leute heranzukommen. Da hat es mir natürlich geholfen, dass ich weiß, wie es dort ist. 'Wer sind Sie? Ach, sind Sie der Bub vom Christ?' Das ist natürlich ein Vorteil für mich gewesen, weil es dort noch immer gemeinsame Bekannte gibt oder gemeinsame Erinnerungen, das hat es für mich ein bisschen leichter gemacht. Ich habe mich dann auch sehr bemüht das Vertrauen der Leute, das sie mir entgegengebracht habe, nicht zu enttäuschen. Eine große Stütze war das Kammerhof Museum, die haben mich wirklich sehr unterstützt.

Nach Abschluss des Films – hält der Mythos Ihrer kritischen Recherche stand?
CHRIST: Meiner persönlichen Meinung nach war wahnsinnig viel Gold im Umlauf in diesen Tagen, aber es ist eben damals auch besonders aufgefallen. Es war Gold im Umlauf, es sind Goldschätze da gewesen im Ausmaß von vielleicht 100 Kilo mit Münzen und Devisen. Das ist gefunden und an die Amerikaner weitergegeben worden. Wo es dann gelandet ist? Ich sag immer: Es hat sich dann irgendwann in Luft aufgelöst. Ob da noch irgendwas ist? Ich glaube nicht.

Keine verborgenen Goldschätze im Toplitzsee?
CHRIST: Im Toplitzsee – ich schließe das aus. Ich habe das schon nach 14 Recherchetagen ausgeschlossen. Überall, aber nicht im Toplitzsee.

Heuer erinnern wir uns an das Kriegsende vor 70 Jahren. Wie hat sich der Gold-Mythos auf die Region ausgewirkt?

CHRIST: Meine Vermutung ist, dass er bis jetzt nicht unvorteilhaft war für den Tourismus. Der Toplitzsee ist ja auch in Amerika in den Zeitungen gewesen. Da sind dann schon Leute extra hingekommen, weil sie das sehen wollten. Aber ich denke, dass es nachlässt, jetzt, wo diese Generation ausstirbt. Aber bisher hatten diese Geschichten einen Vorteil, dem Tourismus war das recht. Unabhängig von politischen Einschätzungen: Der Toplitzsee ist natürlich ein ganz anderer Anziehungspunkt, wenn da noch ein Märchen herum ist und nicht nur weil er schön ist – schön ist im Salzkammergut nämlich vieles. Ich glaube, dass diese Geschichte nicht unvorteilhaft für die Gegend war.

Das andere ist, dass dieses 'Da hat es wen gegeben, der hat wen gekannt, der hat gesagt, die haben damals vielleicht..' – diese Geschichten bei Zirbengeist und Jagertee am Abend, das ist herrlich. Dieses Geschichtenerzählen ist super. Genauso wie man gerne Märchen oder einen Roman liest, das Geschichtenerzählen hat etwas Lustvolles an sich. Natürlich gibt es dann aber auch Verschwörungstheoretiker, die in einer unterseeischen Felsspalte unter dem Toplitzsee die deutsche Atombombe vermuten.