Wenn ein Regisseur am selben Abend in zwei verschiedenen Theatern Premiere hat, ist das nicht nur ein Indiz für seinen Marktwert. Der deutsche Schauspielregisseur Elmar Goerden zeigte am Samstag-Abend im Wiener Theater in der Josefstadt erstmals die von ihm montierte Text-Collage "Kafka". Parallel dazu hatte in der Grazer Oper, in der er sich an diesem Abend nicht vor dem Vorhang zeigen konnte, seine Inszenierung von Jules Massenets "Manon" Premiere. In einer Einstudierung durch Barbara Schröder, die für Graz klonte, was Goerden gemeinsam mit den Ausstattern Silvia Merlo und Ulf Stengl im Februar 2013 für das Theater in Basel ersonnen hatte.

Die Poststation von Amiens, die sich Massenet und seine Librettisten Henri Meilhac und Philippe Gille als Schauplatz des ersten Aktes vorstellten, hat sich in dieser Produktion in die Ankunftshalle eines modernen Flughafens verwandelt. Das wirkt auf den ersten Blick nicht aus der Luft gegriffen, zumal sich der Airport auch als moderne Metapher für die Flüchtigkeit deuten lässt, schafft aber beträchtliche Probleme, weil die Inszenierung den Flughafen nicht mehr verlässt, und der Text trotz bisweilen weit vom Original abweichender deutscher Übertitel, die etwa "Tücher von Hermès" als Kaufobjekte anpreisen, mit diesem Konzept auf Kollisionskurs gerät. Amüsiert zunächst ein nicht funktionierender Snackapparat, wirkt es auch witzig, dass auf Suchschildern die Namen der beiden Librettisten prangen, so gerät spätestens die Raucherkabine als Ersatz für die Kirche Saint Sulpice zur Peinlichkeit. Vor allem in der Führung des Chores wirkt diese Inszenierung hilflos, egal ob man nun als Betrachter den Auftritt zweier hochschwangerer Nonnen als originell, unnötig oder provokant empfindet.

Aufwühlende Emotionalität

Große Meriten hat die letzte Premiere dieser Opernsaison in der musikalischen Umsetzung. Dirk Kaftan meidet am Pult der Grazer Philharmoniker Sentimentalität und Zuckerguss, lässt Massenets Partitur kantig klingen und musiziert mit aufwühlender Emotionalität.

Für die Titelheldin, die in dieser Inszenierung Selbstmord begehen muss, bringt die junge rumänische Sopranistin Iulia Maria Dan die passende stimmliche Kühle, Beweglichkeit und Höhensicherheit mit, um Koketterie und Berechnung, Vergnügungssucht und auch die Anflüge von Ehrlichkeit glaubwürdig zu vermitteln. Ihren Liebhaber Des Grieux stattet Abdellah Lasri mit einem weichen, etwas monochromen, zu beträchtlicher Emphase fähigen lyrischen Tenor aus.