Das Museum in Neuhaus ist vermutlich das einzige in Europa, wo Rauchen erlaubt ist. Zumindest für den Hausherrn. Immerhin hat der Zigarrenliebhaber Herbert Liaunig in den vergangenen Jahren rund 17 Millionen Euro investiert, um sich diesen kleinen Luxus – etwa während einer Presseführung – erlauben zu dürfen. Auch die rein privat finanzierten Betriebskosten von rund 400.000 Euro im Jahr scheinen gewisse Eigenheiten zu rechtfertigen. Etwa das Kinderverbot bis 11 Jahre.

Nach einjährigem Umbau ist das seit 2013 denkmalgeschützte „Kärntner Guggenheim“ auf 7000 Quadratmeter Nutzfläche angewachsen. Markantester Zubau ist ein dreieckiger Multifunktionsraum mit skulpturaler Betondecke, in dem Kurator Peter Baum geometrische Großformate des irischen Konstruktivisten Sean Scully serviert – ein schonendes Horsd’œuvre für die üppige Hauptschau in der 160-Meter-Halle, die Baum mit den Worten anpreist: „So eine Ausstellung gibt es nirgends. Das müssen Sie genießen!“

Viel neuer Platz für die Kunst
Viel neuer Platz für die Kunst © Markus Traussnig


Zusammengestellt hat sie sein Kollege Hans-Peter Wipplinger, Direktor der Kunsthalle Wien, der hier in prachtvollen Bildern die Zeit der Blumenkinder wiedererstehen lässt. 1968 hatte Otto Breicha in der Wiener Secession sechs Individualisten zu einer Ausstellung vereint, die fortan als „Wirklichkeiten“ Furore machten. „Im Wien der 1960er-Jahre haben sie mit Witz und Ironie gegen die Spießigkeit ihrer Zeit angekämpft“, erklärt Wipplinger die gemeinsame Stoßrichtung des Sextetts, das zugleich gegen die „Abstrakten“ um Otto Mauer und die „Phantastischen Realisten“ anmalte.

© Markus Traussnig


Den zentralen Blickfang in der bislang umfassendsten „Wirklichkeiten“-Schau bildet ein orgiastisches Schlachtengemälde (Bild) des 2005 verstorbenen Robert Sperl, der wegen seines zappeligen Wesens als Zeppel-Sperl in die Kunstgeschichte einging. Im „Gastmahl“ des Möchtegern-Hippies begegnet man unter anderem dessen Kollegen Peter Pongratz und Kurt Kocherscheidt, aber auch einer Elfriede Jelinek, die mit Friederike Mayröcker oder Peter Handke zu den literarischen Trabanten der Gruppe zählte.

Unbekümmertheit, auch gegenüber Reizthemen wie Sexualität und Religion, zeichnete insbesondere Franz Ringel aus, der mit Innenansichten des Menschen seine eigenen Ängste bearbeitete. Für gute Laune sorgen dagegen die Charakterstudien von Wolfgang Herzig oder ein karikaturhaftes Abbild des Hausherrn, den Peter Pongratz als grimmigen Wanderer vor Augen führt.

„Wenn sich jemand die Sachen etwas genauer anschaut, dann ist er sicher einen ganzen Tag lang unterwegs“, warnt Herbert Liaunig vor dem Besuch seines Museums, das seit dem Umbau zwei neue Sammlungen präsentiert – eine rund 100 Exponate umfassende Kollektion mit Porträtminiaturen sowie eine solche mit dekorierten Gläsern. Beide gehören zu den bedeutendsten ihrer Art in Österreich, von der afrikanischen Goldsammlung einmal ganz abgesehen. Ein Glasgemälde mit Europa auf dem Stier, geschaffen in der späten Renaissance, war bis vor Kurzem als Leihgabe im British Museum zu bewundern. Und in der Porträtsammlung trifft man nicht nur auf gekrönte Häupter, sondern auch auf Miniaturen von Moritz Daffinger, dessen Selbstbildnis die 20-Schilling-Scheine zierte.

Korridor, gestaltet von Esther Stocker
Korridor, gestaltet von Esther Stocker © Markus Traussnig


Über einen von Esther Stocker gestalteten Korridor gelangt man neuerdings ins pantheonartige Skulpturendepot, wo die wichtigsten Bildhauer des Landes versammelt sind. Wer danach noch Kräfte hat, sollte den neu angelegten Skulpturengarten nicht versäumen. Von hier aus kann man schöne Ausblicke auf Drau und Karawanken genießen. Notfalls auch nur eine Zigarette.