Der Begriff bombardieren passt thematisch: Es geht um die globale Waffenindustrie; um Menschen, die von der Erzeugung von Waffen profitieren und darunter leiden; um Politiker und Soldaten, um Industriemagnaten, Bankenchefs, Waffenhändler, Ärzte und Reporter, um Täter und Opfer; um Streumunition, Panzer, Drohnen und Schutzwesten; um Profit und Macht; um Tod und Leben. Das berühmte Foto aus dem Situation Room im Weißen Haus während der Kommandoaktion gegen Osama Bin Laden hat dem Projekt den Titel gegeben.

"Situation Rooms" wurde 2013 auf der Ruhrtriennale uraufgeführt und absolviert seither ein beispielloses Tour-Programm. In Frankfurt, München, Perth, Athen, Paris, Zürich, Hamburg, Riga, Berlin, Nanterre und Dresden war man schon, demnächst gastiert man in Hannover und Basel. Das Interesse ist groß. donaufestival-Leiter Tomas Zierhofer-Kin ist es gelungen, die extrem aufwendige Produktion als Österreichische Erstaufführung nach Krems zu holen. In der Halle 1 des Messegeländes wurde in tagelanger Arbeit das unauffällig mit Hightech vollgestopfte, verschachtelte Filmset aufgebaut.

Der Betrieb des "Multi-Player-Videostücks" ist dann weniger personenintensiv: Zwei Coaches empfangen die Besuchergruppen, geben den jeweils 20 Personen einer Aufführung die Basis-Anweisungen und stehen als Nothelfer zur Verfügung, sollte man sich verirren. Kaum jemand der 20-köpfigen Schar, die einzeln über verschiedene Eingangstüren in die verwinkelte Spiellandschaft eingeschleust wird, muss in den folgenden 80 Minuten nicht auf sie zurückgreifen. Denn das Einfügen in dieses komplexe System des Re-Enactments ist ganz schön tricky.

Jeder erhält ein iPad mit angeschlossenem Kopfhörer. Das Tablet hat er an einem Handgriff wie eine Kamera vor sich zu halten, der darauf ablaufende Film und dessen Hintergrund-Perspektiven sollen mit der real aufgebauten Kunstwelt, in der man sich nun bewegt, möglichst in Deckung gebracht werden. Immer wieder muss man Anweisungen folgen, durch Türen treten, sich rechts oder links wenden, Treppen steigen, Lift fahren (ein Fake, natürlich), sich hinsetzen, -legen oder -hockerln. Man ist ganz schön in Action. Da den Überblick zu bewahren, ist fast unmöglich.

In der digitalen Welt dieses multimedialen Rollenspiels trifft man immer wieder auf Menschen, die ihre eigenen Schicksale erzählen, man schlüpft aber auch in Charaktermasken, empfängt als Boss einer Waffenschmiede hochkarätige Kunden, bewegt sich als Kriegsreporter vorsichtig durch eine Hinterhoflandschaft, in der hinter jeder Ecke der Tod lauern kann, oder liegt als schwer verletztes Opfer in einem improvisierten Lazarett von "Ärzte ohne Grenzen".

Man arrangiert ein Leopard-Kampfpanzer-Modell auf den Verhandlungstisch, trinkt mit einer Flüchtlingsfamilie Tee, schüttelt Hände und hilft anderen Menschen in Splitterschutzwesten. Man hat ständig etwas zu tun, sieht in Realität und auf dem Tablet-Bildschirm Mitspieler als ferngesteuerte, willenlose Geisterwesen vorübergleiten, freut sich, wenn auch die anderen pünktlich zur Stelle sind, um mit einem zu interagieren, und ärgert sich, wenn man selbst oder ein anderer mal wieder falsch abgebogen ist und seinen Einsatz verpasst hat. Trotzdem geht es wundersamer Weise immer wieder weiter, und am Ende hat man unzählige Rollen angenommen und trifft erschöpft auf seine Mitspieler im großen Konferenzraum.

"Situation Rooms" ist ein intensives, unvergleichliches Erlebnis, bei dem Struktur und Technik ein wenig die Inhaltlichkeit überlagert. Es ist Rollen- und Videospiel ebenso wie Installation und Performance. Es zeigt auch, wie das Theater im 21. Jahrhundert auf der Höhe der Zeit agieren kann. Aktien von Rüstungskonzernen hat man hoffentlich schon vorher nicht besessen. Sein Investment-Portfolio sollte man danach dennoch überprüfen. Eine Botschaft, die hängen bleibt, lautet nämlich: Alles hängt mit allem zusammen. Und kaum eine Bank ist nicht zumindest mittelbar an diesem globalen, Tod und Profit bringenden Geschäft beteiligt.