Nicht zuletzt Dank der Arbeit von Cencic schaffen Musiktheaterwerke von Hasse teils Jahrhunderte, nachdem sie zuletzt erklangen, wieder den Weg auf die Opernbühnen. Schließlich hatte der einstige Sängerknabe Cencic im Vorjahr unter dem Titel "Rokoko" bei Decca eine Sammlung mit Hasse-Arien veröffentlicht, der Ende 2014 die erste Aufnahme von "Siroe" folgte. Diese beruht, wie über 30 weitere Vertonungen auf dem Libretto Pietro Metastasios, das auch Größen wie Händel und Vivaldi zu Werken inspirierte. Nun läuft eine Welttournee, die in Athen begann und unter anderem über Versailles nach Wien führt. Vor dem dortigen Auftritt am Dienstag gastierte Cencic jedoch beim laufenden Budapester Frühlingsfestival, in dessen Rahmen das akustisch nicht ideale Innenstadttheater Vigszinhaz dreieinhalb Stunden in Hasse-Klänge getaucht wurde.

Cencic fungiert dabei als Theaterimpresario im ureigensten Sinne, hat er doch nicht "nur" die Titelrolle des Werkes inne, sondern verantwortet gemeinsam mit der Wiener Parnassus Arts Productions die Produktion, hat die Besetzung organisiert und die Regie inne. Letztere fällt im charmanten Sinne kitschig zwischen "Der Tiger von Eschnapur" und "Tausendundeine Nacht" changierend aus. Da dominiert der Eyeliner neben Seidenkostümen in allen Farben, wobei Regisseur Cencic dem Sänger Cencic ab der Hälfte den durchgehenden Auftritt mit nacktem Oberkörper gönnt. Zugleich zeigt eine LED-Wand Videos von Etienne Guiol, die streckenweise an die bunten Fantasiewelten der Fotokünstler Pierre et Gilles gemahnen. Für viele französische Regisseure wäre dieses Bühnenbild bei einer szenischen Inszenierung bereits überbordend.

Durchwachsener präsentierte sich da das Sängerensemble, wobei der Opernfreund gewarnt sei, dass man bei "Siroe" kein Fan tiefer Stimmlagen sein sollte, bietet doch einzig der Tenor unter den sechs Charakteren tieferes Fach. An der Spitze der Truppe steht Cencic, der seinen Counter in Mezzolage führen kann, ohne dabei an Strahlkraft zu verlieren. Zum zweiten Publikumsliebling mauserte sich die aufstrebende Russin Julija Leschnewa. Die 25-Jährige hat sich mittlerweile einen flexiblen Sopran erarbeitet, der bei Koloraturen wie ein Kolibri leicht von Note zu Note flattert, auch wenn es an der Durchschlagskraft bisweilen noch mangelt. Eine Entdeckung ist die 27-jährige US-Amerikanerin Lauren Snouffer in der ob der Kostüme eher Bart- als Hosenrolle des Arasse, worin sie mit einem warmen, hochbeweglichen Sopranistin überrascht. Der erst 33-jährige Spanier Juan Sancho nimmt leider auch stimmlich seine Rolle des gebrechlichen Alten Cosroe ernst, während Mary-Ellen Nesi zwar einen schönen Mezzo besitzt, den sie allerdings bei den notwendigen Koloraturen nur schwerfällig in Gang bringt.

Durch die Partitur führte George Petrou sein Orchester Armonia Atenea sehr kammermusikalisch-solistisch mit aufrechter Freude an harten Kontrasten. Diese wird der Grieche ebenso im Theater an der Wien (TAW) unter Beweis stellen, wohin Cencic auch nach seinem Auftritt am Dienstag alsbald wieder zurückkehrt. Am 24. September steht er mit seinen beiden Kollegen Valer Sabadus und Franco Fagioli in Leonardo Vincis "Catone in Utica" auf der TAW-Bühne, wobei Riccardo Minasi das Orchester Pomo d'oro leitet. Am 20. April - allerdings 2016 - sind dann wieder Cencic und Petrou im Haus zu hören. Dann steht in konzertanter Fassung Händels "Arminio" am Programm.

In Budapest geht unterdessen nach dem gestrigen Abend das laufende Frühlingsfestival in seine zweite Halbzeit. Noch bis 26. April geben sich die internationalen Klassikstars die Klinke in die Hand. So sind in den kommenden Tagen unter anderen noch Kirill Petrenko mit dem Bayerischen Staatsorchester und Bertrand de Billy mit der Ungarischen Nationalphilharmonie angesagt. Und das Teatro San Carlo aus Neapel bringt zum Abschluss des Festivals eine konzertante "Luise Miller". Als Hauptspielort fungiert dabei der Nationale Konzertsaal Bela Bartok im Palast der Künste sowie das Erkel Theater. Darüber hinaus sind zahlreiche Produktionen und Veranstaltungsorte in ganz Budapest angesetzt, wobei das Gesamtprogramm sich auch auf Jazz und Weltmusik erstreckt.