Fast hätte sie es vermasselt – Laura Hidalgo, Solistin im Königlichen Ballett Flandern. Man hatte sie auf Wunsch der Choreografin Lynne Charles für die Doppelrolle der Odette und Odile als Gast engagiert. Es schien, als ließe der Erfolgsdruck die virtuose Tänzerin emotional erstarren, so distanziert gab sie den weißen Schwan Odette im 2. Akt. Erst über ihre Interpretation der verführerischen Odile findet Hidalgo zu stimmigen Gefühlen, so dass sie als todgeweihte Odette zum Schluss tief berührt.

Und sonst? Fabelhaft, wunderbar, hinreißend. Choreografin Lynne Charles strafft die tragische Liebesgeschichte um Odette, Zauberer Rotbart und Prinz Siegfried und wertet so die Rolle der verschmähten Verlobten des Prinzen (eindrucksvoll Rita Pollacchi) geschickt auf. Prinz Siegfried legt die Choreografin als jungen erdigen Mann an, der seinem Herz und nicht seiner Frau Mama folgen will. Petar Dorčevski füllt die innere Zerrissenheit mit Elan, Sprungkraft und hingebungsvollem Partnering in den Duetten. Auch die Schwäne trainierte Charles exzellent. Selten sah man das Ensemble klassisches Ballettvokabular in solchem Gleichklang tanzen. Zur Höchstform läuft die Kompanie jedoch in den Hofszenen mit ihren Charaktertänzen auf.

Lukas Zuschlag (l.) als Zauberer und Petar Dor(c)evski als Prinz
Lukas Zuschlag (l.) als Zauberer und Petar Dor(c)evski als Prinz © (c) Darja Stravs Tisu

Die Bühnenbildner Vadim Fiškin und Miran Mohar tragen mit einer klaren visuellen Formensprache maßgeblich zum Erfolg bei. Mit sparsamen Mitteln aus Gewässer- und Tapetenprojektionen sowie variablen Kronleuchtern schaffen sie fließende Übergänge zwischen Realität und Traumwelt. Uroš Belantičs Kostüme kommen in diesem Ambiente exzellent zur Geltung. Seine Stoffe mit bedruckten Blumenmustern in gedeckten Farben unterlaufen geschickt jegliche Folklore, ohne Volkskulturelles zu desavouieren. Marko Gašperšič fordert von seinem aufmerksamen Orchester eine musikalische Bandbreite, die von zärtlich bis elektrisierend reicht. Wie durch ein unsichtbares Band ist sein Dirigat mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne synchronisiert.

Lukas Zuschlag kann der Rolle des bösen Zauberers Rotbart unübliche Facetten abgewinnen. Statt Klischees des Dämonischen zu bedienen, wirkt er in seinen rasanten Sprüngen und Pirouetten selbst wie ein Getriebener. Sein zuckender Tod am Ende macht Hoffnung. Hoffnung auch darauf, dass Ballettdirektorin Sanja Nešković Peršin weiterhin so konsequent an internationale Standards anschließt und dabei eine eigenwillige regionale Note entfaltet. Empfehlung!

INGRID TÜRK-CHLAPEK