Die häufige, mit einzelnen Buh-Rufen durchzogene Ablehnung von Regiearbeiten in ungewohnter Opern-Ästhetik ist bei dieser Premiere im Großen Festspielhaus völlig ausgeblieben. Im Gegenteil: Das Publikum hat die Sichtweise des deutschen Video-, Film- und Theatermannes widerspruchslos gutgeheißen.

Stölzl hat die beiden, wegen ihrer nicht abendfüllenden Länge von je 75 Minuten und ihrer stilistischen, inhaltlichen und historischen Seelenverwandtschaft meistens gemeinsam aufgeführten Opern wie ein Fernsehregisseur in Szene gesetzt. Dafür hat er eine senkrechte Fläche am vorderen Bühnenrand eingezogen und in sechs Sektionen geteilt. Das wirkt wie drei mal zwei riesige Flatscreens, die mit schwarzen Blenden herrlich altmodisch geöffnet und geschlossen werden. Auf diesen neben- und übereinander angeordneten Spielflächen zeigt Stölzl parallel die verschiedenen Handlungsstränge. Es wird live gespielt, mit der Kamera aufgenommen und auf einen der anderen Schirme projiziert. Wie in einer TV-Oper erlebt der Zuschauer nicht nur kleine Figuren auf der Riesenbühne, sondern wahlweise auch Großaufnahmen. Das macht die kleinste Regung in der Mimik der Hauptdarsteller erlebbar oder zeigt eine Aktion von zwei Seiten gleichzeitig.

In Mascagnis "Cavalleria rusticana" konzentrieren sich Stölzl und seine Kostümbildnerin Ursula Kudrna auf die Farben schwarz und weiß. Die Kulissen wirken wie Tusch-Zeichnungen alter Stadtlandschaften. Der "Bajazzo" hingegen ist - der Welt der fahrenden Gaukler und Possenreißer entsprechend - kunterbunt und aufgeladen mit Requisiten der fahrend Zunft. In beiden Opern kombiniert das Regieteam die Live-Bühne mit der Großaufnahme, schafft intime Räume mit doppelten Perspektiven und definiert den Abstand des Betrachters zum Eifersuchtsdrama nach Belieben. Der Preis dieses insgesamt überzeugenden Konzeptes: Die Tiefe des Bühnenraums im Festspielhaus geht zugunsten des zweidimensionalen Bildschirm-Formats verloren.

Nicht immer so durchdacht scheint Stölzls Positionierung des Chores. Dafür bleibt im extrem flachen Bühnenkonzept eben kaum noch Raum. Auch die Bewegungsdramaturgie des handelnden Bühnenpersonals kommt mit der Modernität der optischen Gesamt-Ästhetik nicht mit. Allen hochauflösenden Digital-Projektionen zum Trotz wird in Salzburg durchaus konventionell geschmachtet, gelitten und gemordet, gespielt und gesungen.

Thielemanns Klangkonzept ist blitzsauber und diszipliniert wie immer. Herzhafte Ausbrüche des italienischen Opernklangs bleiben wohldosiert. Die Sänger nicht zuzudecken sondern zu tragen ist Markenzeichen des Sächsischen Chefdirigenten und liegt der opernaffinen Staatskapelle ebenso im Blut. Auch der vom Salzburger Bachchor verstärkte Sächsische Staatsopernchor Dresden und der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor fügen sich gut ins akustische Gesamtbild. Auch musikalisch gibt es also nichts zu meckern an dieser Salzburger Premiere.

Superstar Jonas Kaufmann hat in beiden Opern debütiert und in den zentralen Rollen des Turiddu und des Canio/Bajazzo mit einzelnen, genialen Passagen gepunktet. Über eine in allen Lagen ausgewogene, auch in der Tiefe kraftvolle Stimme des italienischen Fachs verfügt Kaufmann allerdings nicht. Zum Teil wirkt er sogar reichlich dünn, aber mit seiner schauspielerischen Präsenz, souveränen Musikalität und dem Instinkt für den richtigen Moment holt er sich alle Sympathien auf seine Seite. Groß, mächtig und strahlend im Klang präsentierte sich Liudmyla Monastyrska in der enorm großen Hauptrolle der Santuzza. Mühelos füllte die Ukrainerin das Festspielhaus mit wuchtigem Sopran. Zusammen mit Ambrogio Maestri, Stefania Toczyska und Annalisa Stroppa bildete sie ein sehr gutes "Cavalleria"-Ensemble. Im "Bajazzo" gesellte sich Maria Agresta mit ihrer hervorragenden, souveränen Nedda zu Kaufmann. Auch Dimitri Platanias, Tansel Akzeybek und Alessio Arduini sind festspielwürdige Solisten, die ihren Anteil am großen Applaus für die beiden zentralen Verismo-Opern bei den Osterfestspielen Salzburg redlich verdient haben.