Es wirkt wie eine Bitte um historische Vergebung. Denn es war Rouen, wo Jeanne d'Arc (in der deutschen Übersetzung Johanna von Orleans) vor sechs Jahrhunderten in den Kerker geworfen, in einem Prozess der Ketzerei schuldig gesprochen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Jetzt eröffnet die Stadt in der nordfranzösischen Normandie ein hochmodernes Jeanne-d'Arc-Museum in historischen Gemäuern.

Multimedia-Rundgang

3D-Animationen erwecken Jeanne d'Arc wieder zum Leben, nach dem Multimedia-Rundgang können sich Besucher über die zahlreichen Mythen informieren, die sich um die Jungfrau von Orleans ranken. Untergebracht ist das Zehn-Millionen-Euro-Museum mit seinen 1000 Quadratmetern, das am Wochenende für Besucher öffnet, im mittelalterlichen Bischofspalast von Rouen - dort also, wo Jeanne d'Arc 1456, 25 Jahre nach ihrer Verbrennung, posthum rehabilitiert wurde.

Die Geschichte der Johanna von Orleans kennt in Frankreich jedes Kind: Wie die Bauerntochter, auf Bildern meist mit Topffrisur und jungenhaften Gesichtszügen dargestellt, Stimmen hörte, die sie zum Kampf gegen die Engländer riefen. Wie sie den französischen Thronfolger Karl VII. von ihrer Mission überzeugte und an der Spitze französischer Truppen das belagerte Orleans befreite; und wie sie schließlich in die Hände gegnerischer Truppen geriet, an die Engländer verkauft und am 30. Mai 1431 mit nur 19 Jahren verbrannt wurde.

Verdrängung

Rouen hat sich mit der Erinnerung an Jeanne d'Arc lange schwer getan, kein Wunder bei der unglückseligen Verbindung zwischen Nationalheldin und Stadt. "Während die ganze Welt Jeanne mit Rouen verbindet, dauerte es bis 1928, bis eine Würdigung (eine Statue) - und dazu noch eine bescheidene - auf dem Platz des Alten Marktes errichtet wurde, nach Jahrzehnten heftiger Auseinandersetzungen", schreibt Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, einst Präsident des Großraums Rouen, anlässlich der Museumseröffnung. Orleans hatte seine Befreierin schon viel länger gefeiert.

Dabei war Jeanne d'Arc lange Zeit in Vergessenheit geraten. Erst im 19. Jahrhundert entdeckte Frankreich die unerschrockene Heldin wieder - und schnell wurde sie politisch vereinnahmt. Das rechte Lager verehrte sie als glühende Katholikin und Monarchistin. Das linke Lager als einfache Tochter des Volkes, vom König verraten und von der Kirche verbrannt.

Rechte Vereinnahmung

In den 1930er Jahren machten Frankreichs Rechtsextreme Jeanne d'Arc zu ihrer Identifikationsfigur. Bei der Front National (FN) wird die Heilige bis heute verehrt. Die Partei sieht sie wegen des Kampfes gegen die englischen Besatzer als eine Vorkämpferin gegen Einwanderung. Eine politische Organisation von FN-Chefin Marine Le Pen - Jeanne - ist sogar nach der Nationalheldin benannt.

Im neuen Museum von Rouen sollen die Besucher - erwartet werden jedes Jahr 100.000 bis 150.000 - sich ein eigenes Bild von Jeanne d'Arc machen. Und Außenminister Fabius, für dessen sozialistische Partei die FN eine große Gefahr ist, sieht darin einen ganz besonderen Auftrag für das Museum: "Es geht darum, Jeanne vor jedem Versuch der politischen Vereinnahmung zu schützen."