Zu einer Zeit, als "die Kunst im Norden von der künstlerischen Lichtgestalt Albrecht Dürer dominiert war", so KHM-Direktorin Sabine Haag am Montag bei einem Pressegespräch im Kuppelsaal des KHM, gab es eine Gruppe von Künstlern, die gegen die "von Naturstudium und Regelmaß bestimmten Kunst" des Deutschen arbeiteten. Rund 140 Exponate führen die Anfang des 16. Jahrhunderts entstandene "expressiv aufgeladene künstlerische Bild- und Stilsprache" vor Augen, die durch Künstler wie Albrecht Altdorfer sowie Wolf Huber, Hans Leinberger und dem sogenannten Meister IP geprägt wurde.

Vom zuvor in diesem Zusammenhang gebräuchlichen, umstrittenen Begriff der "Donauschule", der zuletzt vor 50 Jahren im Augustiner Chorherrenstift St. Florian eine große Schau gewidmet war, sieht man dabei bewusst ab. "Wir wollen zeigen, dass es vergleichbare Stilausprägungen auch über den bayerisch-österreichischen Donauraum hinaus gab", erläuterte Kurator Guido Messling. So bezieht die Schau, die in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Städel Museum und der Liebighaus Skulpturensammlung sowie dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig konzipiert wurde, vergleichbare expressive Werke aus anderen Regionen Mitteleuropas mit ein.

"Das Naturbild als integraler Bestandteil des Menschen", so Messling, führt wie ein Leitfaden durch die Ausstellung, die Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken ebenso wie Skulpturen miteinbezieht. So macht Altdorfers kleinformatige "Landschaft mit Burg" klar, warum er als Schöpfer des selbstständigen Landschaftsbildes in der Kunst gilt - auch wenn das mystisch aufgeladene Tafelbild bei genauem Hinsehen einen Wanderer erkennen lässt. Die Landschaft als Ausdrucks- und Bedeutungsträger ist eines von sechs, durch geschwungene Wände abgesteckten Kapiteln, mittels derer der Besucher in eine fantastische Welt eintauchen soll.

Einleitend stehen Meisterwerke der Hauptvertreter Altdorfer, Huber, Leinberger und Meister IP, die das ihnen zugrunde liegende Menschenbild verdeutlichen und Dürer als Reibepunkt veranschaulichen: Über dessen geregelte Körperdarstellung hinwegsehend, stellt Huber etwa den von Schergen gepeinigten Jesus in "Geißelung Christi" mit athletischem Oberkörper, einem vergleichsweise kleinen Kopf und überdimensionierten Füßen dar - lediglich beleuchtet durch eine Kerze im Vordergrund des Bildes, die ein Spiel aus Licht und Schatten ermöglicht. Einen Richtungswechsel zeigen auch die experimentierfreudigen, die Perspektive wechselnden Darstellungen von Kreuzigungen, sowie die von Dramatik geprägten Bildnisse des Hl. Christophorus.

Keinem Bildthema, sondern den bildnerischen Mitteln des Expressiven ist der zentrale Raum der Schau gewidmet: Ornamentalisierungen, Lichtreflexe, dynamische Deformationen und grelle Farben ziehen sich durch die Exponate und lassen die dargestellten Menschen ebenso wie ihre Umgebung übersteigert erscheinen. All dies scheint vereint in Altdorfers Predellenflügeln des Sebastianaltars in St. Florian, die auch als Sujet für die Schau herhalten: Figuren scheinen verkürzt und unterschiedlich groß, der Himmel durch den Heiligenschein Jesu spektakulär erleuchtet, die Dramatik wird damit verstärkt. Größerer Blickfang ist da nur der mehr als sechs Meter hohe Schnitzaltar des Meisters IP aus der Prager Teynkirche.

Eine Gemeinsamkeit von Dürer und seinen Gegenpolen wird beim Abstecher in den Saal XV. deutlich: Hier machen Porträts, Votivbilder und Epitaphien sichtbar, dass Altdorfer, der laut Kurator Messling "unverdientermaßen im Schatten des anderen Albrechts steht", ebenso wie Dürer Kaiser Maximilian I. zu seinen Auftraggebern zählte. Das mit fantasievollen Randzeichnungen Altdorfers illustrierte Gebetsbuch des Kaisers ist dabei im Original, von Glas geschützt, ausgestellt - und kann nebenan auf einem Touchscreen durchblättert werden.

SERVICE: "Fantastische Welten - Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500", Ausstellung im Kunsthistorischen Museum, 17. März bis 14. Juni, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr,