War dem deutschen Hanser-Verlag ein satirischer Roman in einem fiktionalisierten KZ Auschwitz ein zu heißes Eisen? Im Herbst hat Hanser "The Zone of Interest" des renommierten britischen Autors Martin Amis abgelehnt. Als Begründung dafür wurden laut Amis Zweifel an der literarischen Qualität des Werks ins Treffen geführt; auch seien der Plot und einer der Charaktere dem Verlag zu unglaubwürdig gewesen.

Hinter vorgehaltener Hand munkelte man in der Literaturszene allerdings bald von einem Rückzieher aus Mangel an verlegerischem Mut: Das Buch, dessen Schauplatz eine fiktionalisierte Version des Konzentrationslagers Auschwitz ist und das von einem britischen Kritiker als "Satire der Bestialität" beschrieben wurde", sei dem Verlag zu frivol im Umgang mit Nazigräueln.

Nun ist das Schweizer Verlagshaus Kein und Aber eingesprungen, meldet der britische "Guardian". "The Zone of Interest" soll im September unter dem deutschen Titel "Interessensgebiet" erscheinen, die Übersetzung besorgt Werner Schmitz. Bei Kein und Aber glaube man an den kritischen und kommerziellen Erfolg des Buchs, ließ der Verlag verlauten. Auch zwei weitere, auf Deutsch seit Jahren vergriffene Werke von Amis - "Das Rachel-Tagebuch" und "Gierig" - werden demnächst bei Kein und Aber neu aufgelegt.

"Natürlich gibt es in Deutschland großes Händeringen  darüber, wie man mit dem Holocaust erzählerisch umgehen soll", zitiert der "Guardian" Verleger Peter Haag, "die Stimmung lautet: Wo der Humor beginnt, endet alle Ernsthaftigkeit, aber das stimmt nicht." Ähnliche Diskussion gab es 2006 um Jonathan Littells Romandebüt "Die Wohlgesinnten" - es erzählt den Zweiten Weltkrieg aus Sicht eines SS-Offiziers.

Martin Amis zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Großbritanniens. "The Zone of Interest" galt manchem englischen Kritiker als "sein bestes Buch der letzten 25 Jahre", hat aber in Frankreich eine ähnliche Kontroverse ausgelöst wie in Deutschland: Auch sein Pariser Verlag Gallimard lehnte die Publikation des Romans ab. Er erscheint nun, ebenfalls im Herbst, auf Französisch bei Calmann-Lévy.

UB