Bradley Manning wurde im August 2013, im Alter von 25 Jahren, wegen Übermittlung geheimer US-Militärakten an die Enthüllungsplattform WikiLeaks zu 35 Jahren Haft verurteilt. Er hatte mehr als 700.000 Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht, darunter das Collateral Murder Video, das die Ermordung von elf irakischen Zivilisten durch eine US-Helikopterbesatzung zeigt. Tim Price, einer der Shooting Stars englischer Gegenwartsdramatik, hat das Schicksal des Whistleblowers auf die Bühne gebracht. Ohne belehrende Betulichkeit lässt er knappe Fakten für sich sprechen, reiht kurze biografische - authentische wie spekulative - Szenen ohne chronologische Ordnung aneinander. Der Protagonist wird von allen Mitwirkenden abwechselnd dargestellt: Alle sind (wir) Bradley (der - im Stück kommt es nicht vor - nach der Urteilsverkündung bekannt gab, dass er sich als Frau fühle und Chelsea genannt werden wolle).

Wie schon der Titel sagt: Es geht um Faktoren, die zum Radikalisierungsprozess eines intelligenten jungen Menschen führen. Zugleich wird nüchtern dargestellt, wie es ausgeht, wenn einer dem System wirkungsvoll Paroli bietet: Das System schlägt gnadenlos zurück. So kommt es, dass jemand, der Kriegsverbrechen aufdeckt, selbst als Schwerverbrecher verurteilt wird, die wahren Kriegsverbrecher hingegen erst gar nicht angeklagt werden. Da kann man sich nicht auf die Rolle des neutralen Beobachters zurückziehen. "Freiheit für Bradley Manning" steht denn auch in roten Lettern auf einem digitalen Schriftband zu lesen (Ausstattung: Jutta Burkhardt). Im Programmheft wird u.a. Slavoj Zizek ("Unsere neuen Helden") zitiert: "Wir brauchen Mannings und Snowdens überall". Zum Bühnenhelden in multipler Ausführung ist Manning dank Price jedenfalls schon jetzt geworden.