Als er in den 1950er-Jahren die Szene betrat, galt er als exzentrischer Provokateur. Heute ist Arnulf Rainer, der am 8. Dezember seinen 85. Geburtstag feierte, nach eigenem Bekunden "ganz sanft" geworden. So, wie er tatsächlich angefangen hat: Ungewohnt heiter kommen seine frühen bunten Farbbahnen "Proportionen" daher, die den Anfang der Schau markieren. Doch Arnulf Rainer meinte, "dass die Qualität und die Wahrheit des Bildes nur wächst, wenn es sich mehr und mehr verdunkelt". Eindrucksvoll sichtbar wird das bei der "Übermalung Schwarz auf Weiß" (1957-59) und bei seinem "Schwarzen Kreuz" (1956).

Letzteres erinnert stark an das "Schwarze Quadrat" des russischen Avantgarde-Künstlers Kasimir Malewitsch, weist aber schon auf die düsteren übermalten Selbstdarstellungen und die Van-Gogh-Serie aus den 1970er-Jahren hin. Jene gruseligen Bilder mit leeren Augenhöhlen sind in der Schau ebenso vertreten wie die mit Bärten, überlangen Wimpern und zugenähten Lippen übermalten Totenmasken.

Das Werk ist nicht immer nur schwarz, aber es steckt immer Arnulf Rainer drin. In den Totenmasken genauso wie in launigen Automaten-Selfies oder provokanten Lust-Bildern des nackten Schläfers.

Ist Arnulf Rainer ein Narziss? Nein, meint Kurator Helmut Friedel. Rainers Selbstbildnisse symbolisieren für ihn eher den Aufschrei des Individuums gegen eine Welt, in der nach dem Zweiten Weltkrieg, Auschwitz und Hiroshima "alles Leben ausgelöscht" wurde. "Es geht um einen völligen Neubeginn durch Auslöschen des Bildes", sagt Friedel.

Beklemmend sichtbar wird dies am Ende der Ausstellung anhand des "Hiroshima-Zyklus" und der "Kisten-Walhalla" aus den 1980er-Jahren. Diese treffen im obersten Stockwerk auf Hauptwerke des Museums von Georg Baselitz: Auch dessen wuchtige Helden- und Frakturbilder zeugen von der Gemütslage der Nachkriegsgeneration - und vom Kampf gegen das akademische Dogma der gegenstandslosen Kunst in den 1960er-Jahren. Während Baselitz die Welt Kopf stehen lässt und seine späten Werke mit ungewohnt lichter Farbigkeit daher kommen, wirken Rainers Arbeiten am Ende poetischer. Und versöhnlicher, wie Mona Lisas "Hände" (2002/4) eindrucksvoll bezeugen.

(S E R V I C E - )