Im Streit um den legendären Welfenschatz haben die Erben jüdischer Kunsthändler Deutschland vor einem US-Gericht verklagt. Sie werfen der Bundesrepublik vor, den millionenschweren mittelalterlichen Kirchenschatz nicht herauszugeben, obwohl es sich um NS-Raubkunst handle. Die Deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters reagierte "mit Gelassenheit" auf die US-Klage.

"Uns sind keine neuen Fakten bekannt", sagte die CDU-Politikerin. Für die Deutsche Bundesregierung gelte weiter die Empfehlung der sogenannten Limbach-Kommission, die beim Welfenschatz keine Anhaltspunkte für NS-Raubkunst gesehen habe.

260 Millionen Euro

Der Vertreter der Erben jüdischer Kunsthändler, der Bostoner Anwalt Nicholas M. O'Donnell, sagte dpa in Berlin, er habe die Klage beim Bundesgericht im US-Distrikt Columbia eingereicht. Mit beklagt sei die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in deren Obhut sich die Goldreliquien befinden. Die Kläger schätzen den Wert auf 260 Millionen Euro.

Stiftungspräsident Hermann Parzinger reagierte "verwundert". Er gehe jedoch davon aus, dass die jahrelange wissenschaftliche Erforschung des Falls auch das US-Gericht überzeugen werde - sollte es überhaupt zuständig sein, erklärte er.

In der Klageschrift heißt es, 1935 hätten die damaligen Eigentümer des Welfenschatzes, vier jüdische Kunsthändler, die Sammlung unter dem Druck der Nazis weit unter Wert verkaufen müssen. Das Geschäft sei damit widerrechtlich und nichtig.

"Würde Deutschland etwas anderes behaupten, würde es noch 2015 Görings Plündereien ausdrücklich billigen", heißt es dort. Die Klageschrift wurde auch bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Berlin zur Verfügung gestellt.

Keine Hinweise auf NS-Raubkunst

Sowohl die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als auch die sogenannte Limbach-Kommission hatten dagegen erklärt, es gebe keine Hinweise auf NS-Raubkunst. Die Schiedskommission unter Leitung der früheren Bundesverfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach sprach den Schatz deshalb 2014 - in einer allerdings nicht bindenden Entscheidung - der Preußenstiftung zu.

Die nunmehrigen Kläger - Alan Philipp (London) und Gerald Stiebel (USA) - hatten das Gremium damals mit angerufen. In ihrem Schriftsatz jetzt bezeichnen sie das Verfahren allerdings als "Scheinprozess". Sie hätten 2014 die gleiche Diskriminierung erfahren wie ihre Verwandten während der Nazi-Zeit.

Nach Angaben des Marburger Anwalts Markus H. Stötzel, der den Fall gemeinsam mit O'Donnells Kanzlei vertritt, geht aus den Akten eindeutig hervor, dass die damaligen Kunsthändler die rechtmäßigen Besitzer des Schatzes waren. Sie hätten ihn 1929 für 7,5 Millionen Reichsmark vom Adelshaus der Welfen erworben.

Enkel & Großneffe

Bei den Klägern handelt es sich um einen Enkel und einen Großneffen der damaligen Käufer. "Unsere Mandanten repräsentieren nach wie vor alle Beteiligten, die als Familienmitglieder der einstigen Eigentümer Anspruch auf den Welfenschatz haben", sagte Stötzel. Sie hätten sich gezwungen gesehen, bei einem US-Gericht zu klagen, weil das deutsche Zivilrecht nach wie vor keine ausreichende Handhabe zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht biete.