"Man fühlt sich so beobachtet", kommentierte Elina Garanca die ungewohnte Situation. Um dem Andrang auf ihren Liederabend zu entsprechen, hatte der Musikverein für Steiermark auf dem Podium des ausverkauften Stephaniensaals hinter der Sängerin und dem Pianisten 65 Besucher platziert.

Auch sie wurden Zeugen einer besonderen Auszeichnung. Der Musikverein ernannte die lettische Mezzosopranistin, die er im März 2012 erstmals engagiert hatte, schon bei ihrem vierten Auftritt in diesem Rahmen zu seinem Ehrenmitglied. "Der Musikverein hat zu zeigen, dass er jung geblieben ist", erläuterte Präsident Franz Harnoncourt-Unverzagt. Entscheidend für den Beschluss sei "nicht die Zeit, sondern die hohe Kunst" der Sängerin gewesen. Diese zeigte sich "unglaublich berührt" und gab eine vielversprechende Prognose ab: "Meine Stimme hat noch nicht ihre volle Kapazität erreicht."

Perfekte Balance


Der in eine Standing Ovation mündende, mit drei Zugaben (von Brahms und Richard Strauss) honorierte Jubel erweckte indes den Eindruck, dass die Zuhörer auch die aktuelle stimmliche Verfassung von Elina Garanca zu würdigen wussten. Ihr wohlgerundeter, dunkel timbrierter Mezzosopran durchmisst mit nahtloser Registerverblendung Höhen und Tiefen, findet im Lauf des Abends zu immer feineren dynamischen Abstufungen, zu subtilen Pianonuancen, denen kraftvolle, dramatische Ausbrüche gegenüberstehen.

Auch auf dem Podium verleugnet Elina Garanca nämlich nicht ihr Theatertemperament, ohne aber je den stilistischen Rahmen zu sprengen. Als Liedinterpretin zeichnet sie sich durch eine perfekte Wort-Ton-Balance und eine sehr deutliche Diktion aus, egal ob sie nun in deutscher (Johannes Brahms), französischer (Henri Duparc) oder russischer Sprache (Sergei Rachmaninow) singt. Und ihr von Malcolm Martineau am Flügel einfühlsam mitgetragener Vortrag hat, seit sie zum zweiten Mal Mutter geworden ist, deutlich an Empfindsamkeit gewonnen, fesselt durch die hohe emotionale Intensität, mit der sie das etwas schwerblütig um Liebe, Schmerz und Verlust kreisende Programm gestaltet.

ERNST NAREDI-RAINER