Smaragdgrünes Isar-Idyll mit picknickenden und joggenden Menschen. Mittendrin wird die Leiche des 14-jährigen Timm Thaler (Justus Schlingensiepen) gefunden, er wurde aus nächster Nähe mit einer Gaspistole erschosses. Ein Motiv für die Tat fehlt. Extrem lange.

Als die Polizei Tims Computer analysiert, werden die launigen Langzeitkommissare "der Franz" und "der Ivo" (sie ermitteln gemeinsam seit 1991) mit Abgründen konfrontiert. Der Teenager hat auf seiner eigenen Webseite mit Pädophilen gechattet, sich für sie ausgezogen, seinen knabenhaften Körper verkauft. Seinen Eltern (in ihrer Ratlosigkeit großartig gespielt von Caroline Ebner und Max Schmidt) erklärte er, er verdiene sich ein bisschen etwas mit der Entwicklung von Apps dazu.

Wer ist hier eigentlich Täter? Wer Opfer? Fragen, deren Antworten dieser "Tatort" schuldig bleibt. Fragen, die sich einem unweigerlich an vielen Stellen aufdrängen wie Zahnschmerzen. Das macht die Episode nervenaufreibend ungemütlich, gesellschaftspolitisch brisant und nicht einfach zu verdauen.

Gut und Böse trennen oft nur noch ein Klick

Das Internet als Spielwiese für Machtphantasien, als Ort für Einsame, Experimentierfreudige, verlorene Seelen und Übeltäter gleichermaßen, als Symbol für alles das, was Eltern pubertärer Kinder nicht über sie wissen, sich nicht einmal vorstellen trauen würden. Das Netz wird aber, anders als in früheren "Tatort"-Episoden, hier nicht als Ort des Bösen verdammt. Vielmehr führt es vor, dass Gut und Böse oft nur noch einen Klick voneinander entfernt liegen. Eingeblendete Textnachrichten unterstützten das formal.

Batic und Leitmayr verdächtigen den engagierten Fußballtrainer Guido Buchholtz (links)
Batic und Leitmayr verdächtigen den engagierten Fußballtrainer Guido Buchholtz (links) © ORF

Wie Batic und Leitmayr erfahren, war Timm kein Einzelfall. Auch dessen Freund Florian (Talenteprobe für Nino Böhlau) verdient sich mithilfe seiner Webcam einige Skateboards und Kapuzenpullis extra dazu - ausgerechnet der liebevolle Familienmensch und engagierte Jugend-Fußballtrainer Guido Buchholtz (Maxim Mehmet). Für die 14-jährige Hanna (Anna-Lena Klenke mit chronisch aufgesetzem Schmollmund) aus gutem Hause liegt der Reiz der Netzaktivitäten nicht im Extra-Taschengeld, sondern im Ausloten der verbotenen Machtgrenzen.

Geht uns das Netz nicht alle an?

Viele der Klischees in punkto Internet lässt "Das verkaufte Lächeln" zwar aus; in einige peinliche Fettnäpchen müssen die Kommissare aber treten. Dass sobald das Wort Netzkultur auftaucht, alle in Kapuzenpullis herumrennen nervt genaus wie Musik von Cro in Jugendzimmern. Will uns der "Tatort" nicht auch sagen, dass uns das Netz mit all seinen Chancen und Risken alle etwas angeht?

Kalli (großartig gespielt von Ferdinand Hofer) hilft aus
Kalli (großartig gespielt von Ferdinand Hofer) hilft aus © ORF

Dass Batic gleichzeitig den anstrengenden analogen Moralapostel und digitalen Analphabeten ("Mit Apps kannst Apps machen") spielt, nimmt dem Fall einiges an seiner Tiefgründigkeit. Wenn da nicht der pausbäckige und pizzaessende Kollege Kalli (Ferdinand Hofer) wäre, würden das altgediente Duo am Ende ziemlich blass aussehen. Und immer wieder schön zu beobachten, wie die "Tatort"-Macher soziale Medien wie Facebook übersetzen - dieses Mal: Friendbase.

So urteilten die Fans auf Twitter:

Das blutigste Jahr der "Tatort"-Geschichte

Ein blutiges "Tatort"-Jahr ist mit der Episode aus München zu Ende gegangen: 2014 zählte die Fan-Seite "Tatort"-Fundus übrigens 150 Leichen in 36 Erstaustrahlungen - so viele wie noch nie in der 44-jährigen Geschichte des Krimiklassikers. Die häufigste Todesursache, Sonntags um 20.15 Uhr? Erschossen. Das passierte in 46 Fällen. Ohne Leiche kam heuer kein "Tatort" aus.

Für viele war es der beste
Für viele war es der beste "Tatort" aller Zeiten: "Im Schmerz geboren" © ORF

Die leichenreichste Folge war "Im Schmerz geboren". Ulrich Tukur als Kommissar Felix Murot musste im Fall von mindestens 50 Toten ermitteln.