Der Abend ist perfekt gebaut. Zum Auftakt führt auf dem fast saalhohen Videoscreen hinter der Bühne eine Weltreise im Sternenflug von Klagenfurt über Berlin, Moskau, Peking Sidney, New York, Paris nach Graz. Stationen eines Künstlerlebens, aber auch ein Motto für den Abend: "Die Welt braucht Lieder". Die von Udo Jürgens nämlich, der zu den satten Klängen das gut 20köpfigen Pepe-Lienhart-Orchester auf die Bühne sprintet. Gut zwei Jahre ist es her, dass er das letzte Mal in Graz zu hören war.

In diesem Herbst ist er 80 Jahre alt geworden. Das merkt man Jürgens nicht an. Der wahrscheinlich vielseitigste Entertainer, Chansonnier, Musiker und Komponist des deutschsprachigen Raums hat die Lieder seines jüngsten Albums "Mitten im Leben" im Gepäck. Und dazu eine Botschaft, von der sein Publikum nicht genug kriegen kann: dass jedermann seine Kräfte freilegen kann und seinen Sehnsüchten nachgehen soll. Dass Besitz Ballast und Zeit kostbar ist. Dass die Liebe vergänglich ist und Größenwahn und Gier des Menschen den Planeten zerstören. "Lasst den Jungen ihren Spaß und den Alten ihre Würde" singt Jürgens. "Der gläserne Mensch" geißelt die Überwachungsnetze unserer Zeit, "Die Krone der Schöpfung" die Maßlosigkeit und Selbstüberschätzung des sogenannten Homo sapiens.

Stimmlich ist der Entertainer glänzend disponiert, souverän bis in die Höhen (und wo es not tut auch in ihrer Vermeidung). Das Orchester sorgt für satten Sound, der jeden Gusto bedient: Swing, Balladen, Groove. Pathos für die einen, E-Gitarrensoli für die anderen. Exquisite Instrumental- und Gesangssolisten dürfen glitzern. Auch den Grazern und ihrer Stadt werden zwischendurch reichlich Rosen gestreut. Jürgens lobt die alte Jazzmetropole und ihre Altstadt, "die ist nördlich von Italien einzigartig in Europa".

Die Grazer danken es dem Star mit Standing Ovations bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Und derer gibt es viele. Speziell nach der Pause, wenn speziell die Fans bedient werden, die mit seinem jüngeren Oeuvre weniger vertraut sind. Dramaturgisch perfekt lässt Jürgens nun, einen nach dem anderen, die Kracher seines umfangreichen Evergreen-Repertoires vom Stapel: "Ich würd' es wieder tun" und "Der Mann ist das Problem", "Tausend Jahre sind ein Tag" und "Griechischer Wein".

Weil er explizit darum gebeten hat, sind seine Fans bis dahin brav sitzen geblieben. Danach: Stampede Richtung Bühnenrand, und Hits von "Ich war noch niemals in New York" (Mit einem gelungenen Ausflug zu Sinatras "How About You" und "New York, New York") bis "Aber bitte mit Sahne", "17 Jahr'", "Merci, Cherie", "Liebe ohne Leiden" und - Überraschung! - CCRs "Cottonfields".

Schluss ist erst nach drei Stunden. Mit Zugaben erst im unvermeidlichen Bademantel, danach in Jeans: Der allerletzte Song "10 nach 11" erzählt vom Alleinsein nach der Show. Da ist es tatsächlich schon fast 11, also auch wirklich Zeit zum Nachhausegehen.