Der „Tatort“ und die Aktualität: Kurz vor Fernsehbeginn flutet diese Meldung die Nachrichtenwelt: Zwei Polizisten in Ohio erschießen einen 12-Jährigen, der eine Spielpistole gezogen hat.

Eines kann man dem 15. Fall der Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Botz (Felix Klare) alsow wirklich nicht vorwerfen: fehlende Brisanz und mangelnde Aktualität. Das Drehbuch sitzt. Zumindest in den ersten 60 Minuten.

Lügenarbeit

Tiefgang, gesellschaftspolitischer Zynismus und ein spannender Rollentausch stecken auch noch in dem Fall "Eine Frage des Gewissens". Was passiert: Lannert erschießt bei einem Raubüberfall mit Geiselnahme in einem Supermarkt den Geiselnehmer. Bootz ist dabei, sieht den Tathergang aber nicht. Das eigentlich routinemäßige Verhör der beiden Ermittler wird zur nervenaufreibenden Angelegenheit. Plötzlich finden sich die beiden in einer Zwickmühle wieder. Bootz lügt – in Musketiermanier für seinen Kumpel Lannert. Der wollte das aber überhaupt nicht.

Dass Bootz die wichtigste Zeugin später auch noch tot auffindet, hilft ihm auch nicht wirklich weiter. Der eine, Lannert, muss fürchten, als Polizist Geschichte zu sein. Der andere, Bootz, säuft seine Einsamkeit nach der Trennung von seiner Frau weg. Die Wohnung ist zugemüllt, der Anwalt lässt nicht locker, er weint, wenn er mit seinen Kindern telefoniert und dann setzt er auch noch die Freundschaft mit seinem Partner aufs Spiel.  Wie loyal darf man unter Freunden oder Kollegen sein? Wie viel Lüge verträgt die Polizeiarbeit? Und wie viel Schuld erträgt ein Mensch?

Vekehrte "Tatort"-Welt

Die Episode stellt die „Tatort“-Tatsache auf den Kopf, dass die Kommissare immer die Guten sind und als solche immer gegen die Bösen kämpfen. Die Zermürbende liegt im Detail, Fragen zur Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats werden im Stillen gestellt, in leisen Zwischentönen, kammerspielartigen Szenen und leider manchmal auch allzu brachialen Dialogen. Das Zweifeln steht den Schauspielern, besonders Felix Klare trumpft als Alleingelassener auf.

So urteilt die Twitteria:

So schön schwächelnd und mit dem Berufsethos hadernd  hat man „Tatort“-Kommissare noch selten gesehen – abseits von ihren privaten und bei manch anderen Ermittler-Paaren viel zu wichtig genommenen Liebessorgen. Starker bezeichnender Dialog dafür: "Ich bin ziemlich fertig." Und: "Da sind wir schon zu zweit."

Dass im Finale zwar der schmierige Anwalt, die Anstandsperson in Nadelstreif, enttarnt wird, hilft nicht darüber hinweg, dass am Ende die Polizisten die Guten sind. Der "Tatort" muss ja weitergehen. Und Lannert und Bootz schließt man nach diesem Fall noch stärker ins Herz. Trotz des wohlgefälligen Endes.