Die 1980er-Jahre waren nicht bloß Schulterpolster, Walkmen, Schweißbänder in Neonfarben und turmhohe Dauerwellen. Gewiss nicht nur "The Final Countdown", "Lady In Red" oder "Never Gonna Give You Up". Selbst in dieser Dekade gab es Musik mit Stil - und einer, der solche ablieferte, war Bryan Ferry. Der ehemalige Roxy-Music-Frontmann, nun auch schon über 40 Jahre im Geschäft, stellt mit "Avonmore" ein neues Album vor. Könnte polierter Marmor Töne von sich geben, diese würden wohl so klingen.

"Olympia" von 2010 war schon eine feine Sache - vier Jahre später (und das ist für Ferry ein relativ kurzer Zeitraum) gibt es nun acht neue Songs und zwei Cover-Versionen. "Loop De Li" ist ein Prototyp seiner Musik: Cocktail-Musik im allerbesten Sinne, mit einer Olive und einer großen Scheibe Liebeskummer im Martini. Der Brite engagierte dafür auch nur neun Gitarristen (unter anderem Nile Rodgers von Chic und Ex-Smiths-Saitenmann Johnny Marr) und drei Bassisten (darunter Flea von den Red Hot Chilli Peppers). Dass sich Musiker von diesem Kaliber die Klinke in die Hand geben, spricht für sich.

Ferry macht keinen Schmalz, das wäre einem Dandy wie ihm auch viel zu plakativ, er setzt auf Schmelz - und verleiht so auch der poliertesten Studioarbeit Seele: Das ist vielleicht seine größte Meisterschaft. Die Reststimme des 69-Jährigen ist nicht mehr jene, die sie vor 30 Jahren war, nicht einmal jene, die er vor zehn Jahren noch hatte. Es ist mittlerweile mehr ein altersgemäßes Hauchen, gegerbt, verwittert - wie ein Smoking, der an der einen oder anderen Stelle schon etwas abgestoßen ist. Die Extravaganzen der frühen Roxy Musik sucht man hier vergeblich, Glamrock ist auch schon 40 Jahre Geschichte.

Auf seine Art war und ist Ferry immer der Nostalgiker, Melancholiker, der in den Texten seine langsam ausrinnende Zeit damit verbringt, sich zu sehnen und zu erinnern, zu vermissen und zu träumen. Das darf man auch im fortgeschrittenen Alter noch, vor allem, wenn man es so beherrscht wie er: "Midnight Train", "Soldier Of Fortune" und "Driving Me Wild" sind Premiumware, sofern man Ferrys Oeuvre aus der Ära von 1982 bis 1994 schätzt. Schmankerl sind auch die zwei Cover-Versionen: "Johnny & Mary", im Original von Robert Palmer und hier als geniale, schwebende Variante und der Musical-Klassiker "Send In The Clowns" (vielleicht nicht ganz so zwingend, aber auch nicht übel).

Eines der Ferry-Originale auf "Avonmore" (Ferrys Tonstudio gab dem neuen Werk übrigens seinen mythischen Namen) heißt "A Special Kind Of Guy". In der Tat, das ist er.

8.5 / 10

THOMAS GOLSER