Die angekündigte erste Auseinandersetzung mit Franz Schuberts c-Moll-Sonate blieb aus. Für den Auftakt zum Solistenzyklus des Musikvereins sattelte Markus Schirmer im Stephaniensaal doch lieber ein bereits bewährtes Schlachtross, Schuberts a-Moll-Sonate, D 845, die er schon vor zwei Jahrzehnten für Lotus Records auf CD aufgenommen und 1999 erstmals für den Musikverein gespielt hat.


Seine Sicht auf die erste große Klaviersonate, die der 28-jährige Komponist drucken ließ, hat sich nicht entscheidend geändert. Ohne den Ausdruck in Maßlosigkeit umschlagen zu lassen, lotet Schirmer das Verzweiflungspotenzial des Werks aus, das Alfred Brendel als die „tragischste“ Sonate Schuberts bezeichnet hat. Schroff hämmert er die im Kopfsatz immer wiederkehrende rhythmische Figur aus dem Steinway, nachdrücklich unterstreicht er, wie die Modulationen in entfernteste Tonarten führen. Als sensibler Lyriker lässt er aber auch Kantabilität und Sehnsucht nicht zu kurz kommen.


Diese kontraststarke Gefühlsdialektik kostete Schirmer auch bei den „Drei Klavierstücken“, D 946, aus, zu denen Gerd Kühr zwei hellsichtige Intermezzi komponiert hat, die in heutiger Musiksprache Schuberts Gesten der Einsamkeit, der Trauer und Verzweiflung verdichten.

ERNST NAREDI-RAINER