Die Albertina-Ausstellung "Michelangelo - Zeichnungen eines Genies", die am 7. Oktober eröffnet wird, ist in vieler Hinsicht außergewöhnlich. Der Versicherungswert liegt in Milliardenhöhe, der Bund hat extra den Haftungsrahmen erhöht. Noch nie zuvor war in Österreich eine derart umfassende Ausstellung mit Werken des großen Renaissance-Künstlers (1475-1564) zu sehen.

Auch weltweit gilt sie als erste große Michelangelo-Ausstellung seit mehr als zwanzig Jahren. Über 100 Blätter aus allen Schaffensperioden werden zu sehen sein, rund ein Sechstel des erhaltenen weltweiten Gesamtbestandes (Architekturzeichnungen ausgenommen). Die Werke kommen u.a. aus den Uffizien und der Casa Buonarroti in Florenz, dem Louvre in Paris, dem Metropolitan Museum in New York, dem Teylers Museum in Haarlem, dem British Museum in London oder dem Privatbesitz der englischen Königin. Acht Original-Zeichnungen besitzt die Albertina selbst - nach dem Urteil mancher Kritiker, die in den vergangenen Jahren durch rigorose Zuschreibung vieler Zeichnungen an Schüler und Zeitgenossen Michelangelos von sich reden machten, jedoch nur eine.

So war eines der wissenschaftlichen Ziele der von Albertina-Kurator Achim Gnann in dreijähriger Vorbereitungszeit erarbeiteten Schau, durch umfangreiche Stil-Vergleiche Klarheit zu schaffen. Gleichzeitig sollen die Entwicklung von Michelangelos Zeichenstil herausgearbeitet und manches Datierungsproblem gelöst werden. Auf einem begleitenden Symposium (19. und 20. November) werden sich internationale Fachleute mit den Ergebnissen beschäftigen.

Dem Besucher will die Ausstellung vor allem die völlig neue Bedeutung des Körpers in Michelangelos figürlichen Zeichnungen zeigen: Mit großer Expressivität auf dem Zeichenblatt herausmodellierte Muskelpartien, in denen nahezu übermenschliche Kräfte herrschen, sollen inneren Kämpfen, ja der menschlichen Seele Ausdruck verleihen. "Bei Michelangelo hat man immer das Gefühl, die Körper zerbersten vor Kraft", so Gnann.