Fragt man in Europa einen Menschen, wie groß sein Kind sei, zeigt er die Größe des Kindes - mit der Handfläche nach unten", erzählte uns Henning Mankell einmal. "In Afrika heben die Menschen auch die Hand - aber sie drehen die Handfläche um, führen sie nach oben und signalisieren damit: Es wächst und wächst." Das ist Henning Mankell, der große geistige Nomade aus Schweden, der schon seit vielen Jahres das halbe Jahr in Afrika zu Hause ist. Mosambik, seine späte große Liebe.

"Im Grunde beruht alles, was ich schreibe, auf einer Wahrheit", schreibt Mankell im Nachwort seines neuen Romans "Erinnerung an einen schmutzigen Engel". Ein Afrikafreund hatte dem schwedischen Romancier von Dokumenten aus dem alten kolonialen Archiv von Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, erzählt. Eine Schwedin war dort als Besitzerin eines der größten Bordelle der Stadt genannt. Erwähnt wurde sie, weil sie eine bedeutende Steuerzahlerin war. Wer war sie? Woher kam sie? Mankell suchte - aber ihre Herkunft blieb ungeklärt, also machte er sich selbst seinen Reim darauf.

Seine Geschichte des bitterarmen schwedischen Mädchens Hanna, das auf einem Schiff als Köchin anheuert, dort einen Seemann heiratet, der noch auf der Überfahrt an einem Fieber stirbt, gründet auf dem Wenigen, was in den Archiven liegt und auf dem, was sich in Mankells Kopf entspinnt. Und das ist viel.

Die junge Witwe Hanna, die eine Fehlgeburt erleidet, wird auf dem fremden Kontinent von einem Bordellbesitzer wohlwollend aufgenommen. Sie heiratet den impotenten Mann, doch bald darauf stirbt er und sie erbt das Freudenhaus (für Männer) und wird steinreich. Die ungebildete Schwedin, die keineswegs frei von Herrschaftsdenken und rassistischen Gefühlen ist, macht sich letztlich mit den Prostituierten, mit den und dem Fremden auf die Suche nach sich selbst. Fündig wird sie freilich nicht, aber immerhin umsichtiger, reifer. Wie sich Hanna von einem unbedarften Mädchen zur menschlich gebildeten Frau entwickelt, schildert Mankell famos.

Sein bestes Afrika-Buch ist "Erinnerung an einen schmutzigen Engel" aber nicht, denn mit "Der Chronist der Winde" hat er sich die Latte selbst zu hoch gelegt. Aber ein weniger guter Mankell führt im Vergleich zu vielen anderen Neuerscheinungen immer noch um Hunderttausende Seemeilen weiter.